Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
immer zwingend notwendig … Außerdem hatte er es nötig. Er hat dich nach deinem
Albtraum
allein sitzen lassen. Allein dafür hatte er einen saftigen Schlag verdient. Ein paar weitere hätte er dafür verdient, dass er solch ein Arschloch ist.“
„Er war mein Freund.“ Sie sagte es leise vor sich hin. Nikolaj wandte sich zu ihr um und sah sie betroffen an. „Ich weiß …“
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann räusperte er sich erneut. „Hast du jetzt alles?“
„Ja, ich glaube schon. Ich muss nur noch … den Schlüssel in der Küche ablegen.“
„Mach das. Ich rufe uns derweil ein Taxi. Sich mit dem ganzen Krempel bis zu mir kämpfen, ist kein Spaß, auf den ich besonders scharf bin.“
Sie schritt aus dem Zimmer Richtung Küche, fädelte den Wohnungsschlüssel von ihrem Schlüsselbund und legte ihn auf dem Küchentisch ab. Während sie sich nochmals gedankenverloren im Zimmer umsah, konnte sie Nikolajs Gespräch mit der Taxizentrale zu sich herüberwehen hören.
Hätte ihr vor einer Woche jemand gesagt, dass sie und Josh sich trennen würden, sie aus seiner Wohnung ausziehen würde – müsste – und stattdessen zu Nick, ihrem verschollenen besten Freund ziehen würde, hätte sie ihn für verrückt erklärt. Es war noch nicht mal eine ganze Woche vergangen, da sich ihre Wege endlich wieder gekreuzt hatten. Doch seither schien sich die Zeit und ihr Leben in dreifachem Tempo fortbewegt und gänzlich unerwartete Richtungen eingeschlagen zu haben. Sie hatte gedacht, wenn sie Nick endlich wieder finden würde, dann würde dies ihrem Leben – und ihr – endlich wieder die Balance, die Beständigkeit und die Ganzheit zurückbringen, die ihr seit ihrer Trennung gefehlt hatte. Doch nun bröckelte Stück für Stück ihres Lebens weg und als Fixum blieb einzig Nick zurück. Alles hatte sich gänzlich anders entfaltet, als erwartet. Sie wusste nicht zu sagen, ob dies gut oder schlecht war. Mit geschlossenen Augen atmete sie mehrmals kräftig durch.
„Laut dem Clown von der Taxizentrale sollte unser Taxi in spätestens fünf Minuten da sein. Bist du fertig? Dann können wir schon mal runtergehen“, drang Nikolajs Stimme zu ihr.
Sie wandte sich um. „Ja. Wir können gehen.“
Bepackt mit Koffer und Taschen verließen sie die Wohnung, stiegen in das georderte Taxi und fuhren Richtung Nikolajs Wohnung. Ihrem neuen Zuhause.
***
„Ich denke, es gibt mehr als genug Platz für deine Sachen. Du kannst also alles einfach da unterbringen, wo du möchtest.“
Gwen stand inmitten all ihres Gepäcks und sah sich etwas überfordert um.
Nikolaj erfasste ihren Blick. „Ich würde dir ja vorschlagen ins Hotel zu gehen, aber ich bin kein Fan von kleinen Zimmern, dünnen Wänden und Flurgetrappel. Vorerst wirst du wohl mit mir und meiner Wohnung vorlieb nehmen müssen.“
Sie gab ein kaum merkliches Nicken von sich, noch immer ihre Verwirrung auf dem Gesicht tragend.
Nikolaj ließ sich halb sitzend halb stehend auf einem der Barhocker nieder und sagte mit aufrichtig bedauernder Stimme: „Dass du dein Zuhause und deinen Freund los bist … dass du jetzt hier mit mir festsitzt … das geht alles auf mein Konto. Ich wollte dein Leben nicht durcheinander – oder mehr „zum Einsturz“ bringen. Ich sagte es ja bereits: Ich weiß nicht, ob ich gut für dich bin …“
Sie sah ihn müde und wortlos an.
Mit einem flüssigen Satz erhob er sich vom Hocker, kam auf sie zu und grub die rechte Hand in ihr offenes Haar. „Wenn ich dich jetzt frage, ob ich dir noch gut tue. Was ist dann deine Antwort?“ Sie konnte Nervosität und Unruhe erkennen. Sowohl in seiner Stimme als auch in seinen Augen.
„Nick … ich bin gerade meine Wohnung und meinen Freund losgeworden. Das ist gewissermaßen das Sahnehäubchen der letzten Tage. Augenblicklich kann ich keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Ich bin leer. Und gleichzeitig bin ich übervoll. Ich will einfach nur ein bisschen Ruhe. Ich brauche jetzt Ruhe. Bitte gib mir einfach ein wenig Zeit.“
„Natürlich bekommst du die. So viel, wie du willst. So viel, wie du brauchst …“ In seiner Stimme lagen Bedauern und Anspannung.
Sanft strich er über ihre Wange und sagte mit dem Anflug eines aufmunternden Lächelns: „Wie wär’s, wenn du ein entspannendes Bad nimmst oder einfach ein bisschen auf der Couch vorm Fernseher rumlüngelst? Ich könnte derweil schon mal deine Sachen verstauen. Falls dir das Recht ist?“
Ihr Blick glitt
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