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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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nahm ab. „Ja?“ „Nein, ich … Oh mist! Es ist schon so spät?!“ „Nein … Ich mache mich sofort auf den Weg …“ „Ich bin … gleich da.“ Sie legte auf und fluchte laut. Ihre Liaison mit Nick und der Besuch von Céstine hatte sie jegliches Zeitgefühl verlieren lassen. Inzwischen war die Morgenvisite vorbei und gerade jetzt sollte sie im Besprechungszimmer sitzen und am Stationsmeeting teilnehmen. Ihr war zum Heulen zumute und sie musste hart gegen die heraufdrückenden Tränen ankämpfen.
    Eilig rannte sie ins Schlafzimmer, schlüpfte in ausgehfähige Klamotten, hastete ins Band um sich die Zähne zu putzen und ihre Haare zu einem Zopf zusammenzubinden. Für mehr blieb keine Zeit mehr. Als sie aus dem Bad kam, stand Nikolaj noch immer am gleichen Fleck, wie zuvor. Er wirkte niedergeschlagen und trug den Hauch von Verdruss und Bitterkeit auf dem Gesicht.
    Wieder blieb keine Zeit für klärende Worte zwischen ihnen. Wieder musste sie gehen, ohne dass die Unmengen von Fragen, Gedanken und Gefühlen ausgesprochen oder das Erlebte geklärt werden konnte.
    Sie riss ihren Mantel von der Garderobe, zog ihn sich über und griff nach ihrer Handtasche. „Bist du zu Hause? Ich meine … wenn ich von der Arbeit komme?“
    Mit einer raschen Handbewegung hob Nikolaj den Wohnungsschlüssel von der Küchentheke auf und warf ihn ihr zu. „Egal wann du hier aufschlägst, hiermit kommst du auf jeden Fall in die Wohnung. Und mach dir keinen Kopf: Ich habe einen Zweitschlüssel. Wenn ich es schaffe, hole ich dich vom Krankenhaus ab. Und jetzt solltest du wirklich abhauen, sonst wartet noch mehr Ärger auf dich, als wahrscheinlich jetzt schon.“
    Sie wollte noch etwas erwidern, doch er hatte recht. Mit einem letzten bedauernden Blick und dem Gefühl, dass sie gerne bei ihm geblieben wäre, öffnete sie die Tür und verschwand nach draußen.

DREIZEHN
     
    Gwen wippte mit dem Fuß hin und her, ihre Finger zwirbelten am Stoff ihrer Jeans herum. Die Worte von Phillip nahm sie wie durch ein dickes Metallrohr wahr. Gedämpft und weit entfernt.
    Mit einem Pulsschlag, der irgendwo jenseits von Gut und Böse gelegen hatte, war sie in das Meeting hereingeplatzt. Murmelnd hatte sie ein paar Worte der Entschuldigung hervorgebracht, sich auf einen der freien Stühle gesetzt und den Kopf vor sich auf die Tischplatte gesenkt. Sie hatte nicht aufsehen müssen. Die auf sie gerichteten Blicke hatte sie auch so spüren können – war sich ihrer immer noch bewusst, ohne aufsehen zu müssen.
    In ihrem Kopf wirbelte aktuell alles Mögliche durcheinander. Von der Frage, wie Céstine und Nick zueinanderstanden, bis hin zu der Überlegung, wie es zwischen ihr und Nick weiterging, nachdem, was gerade eben fast passiert wäre, wären sie nicht unterbrochen worden. Es war lästig, dass sie unterbrochen worden waren. Und es war ein Aufschub, der ihr die Sammlung ihrer Gefühle gewährte. Ob sie diese Chance tatsächlich nutzen konnte, stand auf einem anderen Blatt geschrieben. Ein Sammelsurium an Gedanken also. Jedoch hatte in diesem Moment, inmitten ihrer Arbeitskollegen, kein Einziger von ihnen eine rechtmäßige Daseinsberechtigung.
    Das Geräusch rückender Stühle ließ sie aufsehen. Die anderen erhoben sich, packten ihre Unterlagen unter den Arm und verließen der Reihe nach das Besprechungszimmer. Ein rascher Blick auf die Wanduhr gab ihr die Antwort auf ihre unausgesprochene Frage. Das Meeting war vorbei.
    Zu allem Unglück verließ Phillip den Raum nicht, sondern ließ die Tür hinter Tamara von der Inneren ins Schloss fallen, sodass nur sie beide zurückblieben. Der Stationsarzt sah sie enttäuscht und ratlos an. Das dringende, von Schuldgefühlen begleitete Bedürfnis, sich zu rechtfertigen, verleitete sie zu einem undurchdacht angesetzten Worterguss. „Phillip, es tut mir leid. Ich …“, den ihr Gegenüber jedoch nicht zur Gänze in die Welt fluten ließ.
    „Ich weiß, dass ein Streit mit dem Partner ziemlich an den Nerven schaben kann. Aber das ist keine hinnehmbare Entschuldigung oder Ausrede, Gwen. Unpünktlichkeit, mangelnde Aufmerksamkeit oder Zerstreutheit ist in unserem Job einfach nicht drin. Du weißt, dass das nicht akzeptabel ist. Wir brauchen 100% Konzentration und Präsenz. Du musst vollkommen hier sein. Und du scheinst derzeit alles andere zu sein, nur das nicht.“
    Sie sah ihn mit geöffnetem Mund an. Eben noch erpicht auf hörbare Artikulation, war sie nun außerstande überhaupt etwas zu erwidern.

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