Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
hat vorher ein Anruf erreicht, der mich … tatsächlich überrascht hat. Und das passiert nicht oft. Neben dem Gejammer über ihren Rauswurf, hat Céstine mich darüber aufgeklärt, dass du dich in Nikolajs Wohnung aufhältst. Mehr noch: Ihr kam es vor, als wärst du nicht nur über Nacht geblieben, sondern wärst dort eingezogen. Ich muss gestehen, dass mich diese Information etwas überrumpelt hat. Ich war eigentlich der Meinung, dass unser letztes Treffen nicht unbedingt zu einer weiteren Annäherung, sondern eher zu einer Entfernung führen würde. Aber scheinbar … hab ich mich schlichtweg geirrt, was das anging. Du hast es geschafft, mich zu überraschen. Das macht dich mir fast schon sympathisch.
Natürlich könnte ich hier und jetzt einfach da weitermachen, wo ich aufgehört habe. Nikolaj weiter vor Augen führen, wie dicht ich hinter seinem Rücken stehe. Wie weit ich hinter deinem Rücken stehe. Aber Céstine hat mich auf eine viel bessere Idee gebracht. Eine Idee, die es mir erlaubt, mich zurückzulehnen und die Show zu genießen, ohne selbst auch nur einen Finger krümmen zu müssen. Quasi ein Platz in der ersten Reihe, mit Programmheft in der Hand.
Nun … es ist schon lustig, wie das Leben manchmal spielt. Dass mich Céstines Gezeter mal auf solch eine innovative Idee bringen würde, hätte ich niemals vermutet. Ich sollte ihr jetzt wohl dankbar sein … Aber das muss ich ihr ja nicht auf die Nase binden.“ Er lächelte.
Verstohlen sah sie sich um, was sich für Gegenstände in ihrer Reichweite befanden, die sie notfalls als Waffe einsetzen konnte. Die wirklich nützlichen Gerätschaften wurden jedoch woanders aufbewahrt. Hier gab es lediglich medizinische Untersuchungs- und Diagnostikwerkzeuge wie Thermometer, Stethoskope, Blutdruckmesser und sonstigen Kleinkram.
Merkas erhob erneut die Stimme, samten und mit der Spur einer Belustigung. „Keine Panik. Du musst dich nicht verteidigen. Ich habe nicht vor, dir irgendwas zu tun.“ Ertappt sah sie auf. „Nicht, dass du wirklich in der Lage wärst, dich erfolgreich gegen mich zu wehren, wenn ich das vorhätte … Aber wie ich gerade sagte: Ich will dir nichts tun. Darüber sind wir hinaus … Ich habe eine viel bessere Verwendung für dich gefunden, bei der du nicht mal Schaden nimmst. Das dürfte dich doch freuen, oder?“ Er trat einige Schritte geradlinig nach vorne.
Sie versuchte sich wieder an der Wand entlang zu tasten, stellte ihren Versuch jedoch schnell ein, nachdem er sie mit einem mahnenden Blick zum Stehenbleiben aufgefordert hatte. Sie presste den Rücken gegen die Wand. Noch enger, als er kaum mehr einen Schritt entfernt von ihr stand. „Und wenn ich nicht mitspiele?“
Ihre Antwort belustigte ihn ganz offensichtlich. „Oh … ich bin mir sicher, dass du mitspielst. Freiwillig. Die andere Option wird dir meiner Meinung nach weit weniger gefallen, als mein Plan für dich. Eigentlich … tue ich dir damit sogar einen Gefallen.“ Ein spöttischer Laut drang von ganz allein aus ihrer Kehle hervor.
Er fuhr ungerührt fort: „Ein bisschen Katz und Maus mit dir zu spielen, ehe du schließlich als Festtagsmahl enden würdest, wäre ohne Frage ein amüsantes Unterfangen. Für mich, dich und nicht zu vergessen, Nikolaj. Doch langfristig gesehen wäre dein Tod wohl nicht halb so effektiv und unterhaltsam, wie das, was ich nun im Sinn habe.
Dein Tod würde Nikolaj zweifelsohne hart treffen – und natürlich würde er sich die Schuld an deinem Ableben geben. Schließlich hat er mich auf dich aufmerksam gemacht und nicht aufgehalten, obwohl er mich kennt. Dein Tod würde ihn also unter einem Haufen von Verlust- und Schuldgefühlen begraben. Ich habe ganz und gar nichts gegen diese Empfindungen. Doch wenn ich ehrlich bin, ist mir das dieses Mal zu wenig. Ich meine … wer weiß: Vielleicht würde Nikolaj seinem Leben recht bald ein Ende bereiten, nur um seiner Trauer und vor allem seinen Schuldgefühlen zu entkommen. Ich glaube, mal irgendwo aufgeschnappt zu haben, dass Schuldgefühle eine häufige Ursache für Selbstmord unter euch Menschen ist. Aber das ist mir diesmal, wie schon gesagt, einfach zu wage und … zu wenig. Ich will mehr davon haben, als eine kurze Show oder einen angeschossenen Casanova, der sich irgendwo verschanzt und sich in Selbstgeißelung und Kummer suhlt. Schuld und Verlust drücken nieder, schmerzen und zehren. Doch … verraten zu werden, von jemandem der einem wichtig ist, aus dessen Mund zu
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