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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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Commercial! Commercial!“ Siegheilrufe, ebenso taktmäßig, als Antwort.
    Falls die Tierkohle endlich wirken sollte – als Naturheilkundler verabscheute er selbstredend alles „chemische Gfraßt“ –, würde ihn Doktor Senkpiehl zwischen vier und fünf im Wagen abholen. Senkpiehls eigentliches Fach war Deutsche Seelenforschung, doch hatte er für den Begräbnistag einen Einsatzbefehl als praktischer Arzt. Als solcher mußte er sich der Ortskolonne der Sanitäter anschließen, und vielleicht würde man da einen Zipfel der Feierlichkeiten erwischen. An diesem großen Tag mit einer Wärmeflasche auf dem Bauch im Bett zu liegen, war eine Strafe Gottes!
    Höllriegl ließ ununterbrochen das Radio laufen, denn zum Lesen war er nicht fähig. Er hörte nur mit halbem Ohr hin. Schon in aller Herrgottsfrühe hatte man verkündet, daß alle Sendenetze der Welt an den Reichsrundfunk angeschlossen waren, ausgenommen natürlich die des Feindlagers und ebenso jene, die von den Kampfhandlungen unmittelbar betroffen waren. Immerhin schien ein weltweiter Hör- und Fernsehempfang gesichert. Dabei gab es manche Pikanterie. So hatte die englische Ansage Sir William Joyce übernommen, jener legendäre Rundfunksprecher und Kommentator, der während des letzten Krieges unter dem Spitznamen „Lord Haw-Haw“ bekannt gewesen war. Nach dem Sieg der deutschen Waffen war Joyce nach England zurückgekehrt, wo er in den Adelsstand erhoben wurde; sonst hatte man nichts mehr über ihn gehört.
    Auch eine genaue Beschreibung von Adolf Hitlers letztem Kleid war geboten worden. Nach altnordischer Sitte hatte man den Toten in das Valhjamr, das Leichenhemd, gehüllt; darüber war ihm die gewohnte Uniform angezogen worden, braune Bluse, lange schwarze Hose, die Hakenkreuzarmbinde – so, wie die Welt den Führer kannte. An der Brust trug der Leichnam nur die zwei Kriegsauszeichnungen der kaiserlichen Armee: das EK II vom Dezember 1914 und das dem Gefreiten im August 1918 verliehene EK I. Es hieß, Hitler habe sich im Testament seiner Einbalsamierung widersetzt; ebenso habe er befohlen, keinen Gesichtsabguß vorzunehmen. (Die prompt an höhere Parteidienststellen ausgelieferte Totenmaske, die sogleich auch in den Handel kam, wurde von einer Büste des Lebenden abgenommen und entsprechend adaptiert.) Merkwürdig: Hitlers Haar sah auf den Zeitungsbildern schneeweiß aus.
    Das Grabmal, in der Nähe des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf den Überresten der Burg Kyffhausen errichtet, war nach geheimgehaltenen persönlichen Plänen des Verewigten ausgeführt worden. Es ähnelte dem Mausoleum des Theoderich in Ravenna, nur hatte es geradezu gigantische Maße; darin schien sich der Führer an die Bauten des Nibelungenfilms gehalten zu haben. Einstweilen war der Koloß in Schnellstbauweise als Attrappe aufgerichtet worden, und es war vorgesehen, daß an der echten Grabeshalle ein ganzes Menschengeschlecht bauen sollte. Hier, in einer klaftertief in den Berg eingelassenen Felsenkammer, würde der schlichte Sarg aus Eichenholz stehen, nur mit einem Lorbeerkranz geschmückt – Lorbeer von der Rostra des Forum Romanum, auf der Caesars Leichnam eingeäschert worden war. Und in einem Nebenraum sollten von nun an die Reichsinsignien ruhen, mit der Ewigen Wache davor. Die Reichskleinodien, aus der Meistersingerkirche von Nürnberg auf den Kytffhäuser verbracht, würden dem toten Führer vorangetragen werden, darunter die skythische Goldkrone von Kertsch.
    Stimmungsberichte, Lagemeldungen und Ansprachen. Zwischendurch zählten die Rundfunksprecher in Form endloser Listen die Verbände und Gliederungen her, die im Landkreis Goldene Aue aufmarschiert waren und sich nun von allen Seiten dem Kyffhäuser näherten. Noch nie hatte dieses Gebiet, das bekanntlich seit einigen Tagen Sperrzone I-A war, so viele Menschen beherbergt. Hier gab es keine Flüchtlinge, keine Panik, wie es auch keinen Krieg mehr gab. Eine Welt in Trauer fand sich an der Bahre des größten Deutschen zusammen.
    Die Stunden vergingen zähflüssig. Höllriegls Laune wurde besser, als er vernahm, daß viele HJ-Mannschaften angetreten waren, um vom Führer Abschied zu nehmen. HJ aus der Nordmark; HJ aus Braunschweig, der Stadt Heinrichs des Löwen; HJ aus den Ostmarkgauen, vom Mittelrhein, aus Kurhessen, aus der Saar-Pfalz. Und massenhaft Gefolgschaften der DJO, der deutschen Wehrbauernjugend des Ostens. Der große Ausmarsch der HJ-Bannfahnen – erhebend! (Höllriegls Augen wurden feucht, das stolze Lied von

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