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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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die Jugend hatte es sich nicht nehmen lassen, im Sternmarsch, dem traditionellen Adolf-Hitler-Marsch der Reichsparteitage, aus den sechs klassischen Obergebieten zu den Begräbnisfeierlichkeiten zu kommen; ja es hieß, daß manche HJ-Gefolgschaften und Jungvolk-Fähnlein sofort nach Bekanntwerden der Trauerbotschaft zur Goldenen Aue aufgebrochen waren, obwohl Köpfler erst vor dem Reichsrat vom 11. November verlautbart hatte, daß der Führer im Kyffhäuser begraben werde.
    Übrigens war etwas Sonderbares geschehen – oder im Gange. Seit Sonnabend mittag schwiegen die Waffen; oder schien es nur so? Achtete der Feind den toten Führer, den großen Verbündeten im zweiten Weltkrieg? Wollte er das Begräbnis nicht stören? Oder hatten die Japse plötzlich aufgegeben? Wie Höllriegl (und jedermann) wußte, lagen die japanischen Inseln, China, Mandschukuo und andere Teile des von den Japanern beherrschten Festlandes unter schwerstem Vergeltungsfeuer. Es war kein Geheimnis, daß mindestens vier H-Bomben ihre Ziele erreicht hatten. Damit mußte der Osten praktisch ausgeschaltet sein. Das alles war nicht zu leugnen – sonst gab es natürlich viele Gerüchte, denn jeder erzählte was anderes. (So hörte Höllriegl, allerdings aus verläßlichem Munde, nämlich im „Parlament“, mit allen Ausschmückungen jene Meutereigeschichte, die schon der Waschmittelagent im Luftschutzkeller von Sauckelruh angedeutet hatte.) Die im Rundfunk spärlich durchgegebenen Meldungen waren weder einheitlich noch klar genug; bis jetzt gab es keinen einzigen zusammenfassenden Wehrmachtbericht, nur vereinzelte Sondermeldungen. Das war auffallend und eigentlich beruhigend. Und doch! Etwas Unheimliches lag in diesem Schweigen der Waffen. So als käme ein großer Schrecken näher und näher.
    Meine Nerven sind kaputt, dachte Höllriegl, außerdem bin ich übernächtig. Er fror. Durch die Wohnung wehte es eisig, denn Burjak hatte die elektrische Heizung zerstört. Burjak! Er war während Höllriegls Abwesenheit getürmt. Hatte ein Braunhemd sowie Höllriegls alte SA-Bluse samt Mütze (Sturm 46 / Standarte 107, rotbrauner Kragenspiegel) mitgehen lassen. Nur die Drillichhose, das Kennzeichen der Zwangsarbeiter, schien er anbehalten zu haben – kaum zu glauben! Ferner fehlten eine pelzgefütterte Windjacke, ein Paar Kommißstiefel und Höllriegls altes Felleisen, ebenfalls aus den Tagen der Studenten-SA. Die Vorratskammer war ratzekahl leer, auch die Lebensmittelkarten – Reisemarkenabschnitte – waren weg. Höllriegl hatte auf dem Polizeirevier und im Parteihaus ordnungsgemäß Meldung erstattet und alles, was er wußte, genau zu Protokoll gegeben. Herrgott, war es Einbildung? Die Diensthabenden hatten ihn zerstreut angehört und die Daten, so kam ihm vor, rein routinemäßig notiert. Für den Lebensmittelbezug erhielt er einen Notausweis.
    Es blieb nichts anderes übrig, als einen zerlemperten Blechofen, ein sogenanntes Kanonenöfchen, zu installieren, mit dem Abzug zum Fenster hinaus. Der wärmte kaum, noch dazu ging das Feuer leicht aus. Höllriegl hatte aber auch andere Gründe, verbittert zu sein. Er war in der sicheren Erwartung eines Einsatzbefehls nach Hause gekommen. Doch nichts! Nur ein Haufen Patientenpost fand sich im Briefkasten. Was war los? Hatte man ihn vergessen oder wollte man ihn beiseite schieben? Traute man ihm nicht? Er war ja ein Zugereister, ein Herr Heiminsreich. Verdammt! Überdies hatte Burjak die Röhre des Fernsehgeräts eingedroschen, das traf Höllriegl am schwersten. Telefon und Radio waren in Ordnung, der Untermensch schien gestört worden zu sein. Auch Lichtleitung und Kochplatte waren intakt – die Kochplatte wärmte sogar.
    Höllriegl schaltete das Radio ein. Der Fehrbelliner Reitermarsch und gleich darauf „Wir Wölfe heulen zur Nacht“. Was er offen, auch guten Bekannten gegenüber, nie zugegeben hätte, nie zugeben durfte, war, daß er Burjak „anständig“ behandelt hatte. Das wurmte ihn jetzt. Auch hier hatte er versagt. Burjak war im Haus wie ein Hilfswilliger, nicht wie ein Leibeigener gehalten worden. Höllriegl hatte sich deswegen oft und oft Vorwürfe gemacht. In der Art, wie er Burjak behandelte, mußte dieser Schurke ein Zeichen von Schwäche sehen. Nie würde er, Albin Totila Höllriegl, ein Herrenmensch sein, nie andere beherrschen können. Weder Ulla noch Anselma – nicht einmal seine Ingrid. Die war ihm zwar hündisch ergeben, aber auch nur, weil er sie einmal wöchentlich ins Bett nahm.
    Wie

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