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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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Schönheit.
    Bis zum Schleuseneinstieg waren es schätzungsweise zehn Meter. Offenes Terrain. Entweder sie liefen mit dem Tod um die Wette, oder – – – Klar, Ulla würde in diesem Zustand nicht laufen können, auch war ihr Geist so verwirrt, daß sie seinen Fluchtplan nicht begreifen konnte. Doch Zeit war keine zu verlieren, und plötzlich hatte er einen glorreichen Einfall. „Ulla“, sagte er leise, „dort drüben liegt der Feind … die Römer. Sie wollen uns fangen und umbringen. Willst du mit mir fliehen?“
    Sie umfing ihn fest. Ihre Umarmung hatte etwas Inniges – so schien es. Noch immer waren ihre Augen geschlossen.
    „Dann komm! Halte dich an mir fest!“
    Er kroch flach auf der Erde hinter dem Wagen hervor, Ulla und den Karabiner langsam nachziehend, die Munition hatte er wieder eingesteckt. In seinem Kopf herrschte ein wüstes Durcheinander, alles drehte sich, jeder Atemzug brannte in der Lunge. Rauchvergiftung, konstatierte er kühl.
    Meter um Meter Boden brachte er so hinter sich, mühsam nach Luft schnappend. Manchmal wurde ihm schwarz vor den Augen, und in seinen Ohren begann es zu singen – doch wacker kämpfte er die Ohnmacht nieder. Endlich! Sie hatten den Kellereinstieg erreicht, eine jener massiven Bunkertüren aus hitzebeständigem Stahl, die mittels zweier Querhebel zu öffnen waren, Höllriegl kannte den Mechanismus sehr genau. Er betätigte die Klinken, aber die Tür ging nicht auf.
    Zögernd erhob er sich, um den Versuch mit stärkerer Hebelwirkung zu wiederholen, der Verschluß schien zu klemmen oder war kaputt – oder war es ein Geheimmechanismus? Teufel! In diesem Augenblick erfüllte ein so greller Glanz die Garage, daß Höllriegl wie betäubt gegen die Wand taumelte. Das unerträgliche Licht schien aus allen Ritzen und Poren des Mauerwerks zu dringen, und obwohl er instinktiv die Augen geschlossen und sie mit den Händen bedeckt hatte, wurde es um ihn her heller als bei vollem Sonnenlicht in der Wüste. Es war ein ganz und gar grauenhaftes Licht, und wenn Höllriegl während dieser acht oder zehn Herzschläge seiner Sinne mächtig gewesen wäre, hätte er vielleicht an das ewige Feuer des Muspilli gedacht.
    Der Lichtschlag ließ alles in nächtigem Dunkel zurück. Ein Erblindeter, so hockte Höllriegl an der Mauer und tastete sich ab. Er rieb seine Augen – wo war er? Blind! Lebte er? Grüne und gelbe Räder tanzten und drehten sich vor den Augen, immer schneller, immer schneller. Er versuchte aufzustehen, seine Hände griffen ins Leere. Die Finsternis begann sich mit grünen Phantomen zu bevölkern.
    Da hörte er auch schon ein schwer heranrollendes Dröhnen, ein langhinhallendes, fortdauerndes Bersten und Donnern, gefolgt von hohlem Brausen und Pfeifen. Der Boden wankte unter seinen Füßen, als stünde er auf einem rollenden Deck, eine unsichtbare Faust preßte ihn an die Wand, und der Luftdruck hämmerte gegen die Trommelfelle. Gleichzeitig füllte sich der Raum mit sengender Hitze, die Hölle schien ihren Rachen aufgerissen zu haben. Er sah – denn er konnte nun wieder schwach sehen –, daß die Wagen heftig schaukelten und durcheinanderrollten. Vor dem Garagentor türmte sich unter ohrenbetäubendem Geprassel eine Mauer auf, Staubwolken drangen herein. Auf einmal war er wieder denkfähig.
    Entweder war eine Luftmine geplatzt oder irgendein saftiger Artilleriebrocken hatte die Garage direkt getroffen. Heraus hier! Der Staub erstickte ihn, aber Höllriegl merkte, daß aus einem Mauerspalt Wasser rieselte – ein Rohr schien geborsten –, und so benetzte er einen Leinwandstreifen und hielt ihn vor Nase und Mund. Er mußte im Halbdunkel über umgestürzte Wagen und sonstige Hindernisse. Schließlich erklomm er, immer wieder abrutschend, die Schutthalde beim Eingang. Er war im Freien, doch was er da sah, erfüllte ihn mit Entsetzen.
    Der Herrensitz der Eyckes hatte zu bestehen aufgehört. Was davon noch übrig sein mochte, verbargen rauchende Trümmerberge, aus denen Flammen schlugen. Aber auch den Park gab es nicht mehr – eine gründlich veränderte Landschaft starrte Höllriegl entgegen. Es war eine brennende, glosende Wüste, die sich vor ihm ausbreitete und weit in die Ferne erstreckte. Die mächtigen Alleebäume lagen zum Teil geknickt, entwurzelt am Boden oder staken, zersplitterte, skelettartige Strünke, im qualmenden Erdreich. Ein Teil des Waldes brannte lichterloh – von seinem Standort aus konnte Höllriegl nicht sehen, wie weit der Waldbrand reichte. Aber

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