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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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bringen.“
    „Wir sind Unseld und Diebold“, sagte einer der Männer unvermittelt und richtete seinen hohläugigen Blick auf Höllriegl; der andere starrte auf den leeren Teller, er hatte den Kopf noch nicht gehoben. Die Worte wirkten auf Höllriegl wie Keulenschläge, es war ihm, als wanke in diesem Augenblick das Gewölbe. „Die Polizei war uns dicht auf den Fersen, da haben diese Menschen hier geholfen.“
    „Wir halten sie verborgen, weil sie Werwolf-Gegner sind“, fuhr der Vorsitzende leise fort. „Natürlich sind es keine Verbrecher. Würde der Werwolf an die Macht kommen, wären wir alle geliefert – wir und unsere Freunde oben. Wir halten mit Anti-Werwolf-Kräften in der Partei und Wehrmacht Tuchfühlung, soweit uns das unser Isoliertsein erlaubt. Was sich jetzt abspielt, ist ein historischer Prozeß: Jacobiner gegen die Gironde. Wir sind – schon aus Selbsterhaltungstrieb – Girondisten. Nur in unserer Wissenschaft sind wir von jacobinischem Geist erfüllt, wenn Sie wollen.“ Nicht einmal in dieser Situation konnte der Professor die dozierende Art lassen; er war durch nichts aus dem Konzept zu bringen.
    „Wer immer Sie sind“, sagte der Mann, der zuvor gesprochen hatte, und musterte Höllriegls Uniform (sein Gefährte hielt den Kopf beharrlich gesenkt). „Hören Sie, was ich Ihnen sage, und sagen Sie es weiter. Der Führer ist von Köpfler und seinen Kreaturen ermordet worden, nach und nach vergiftet, in kleinen Dosen. Das Testament, das Köpfler im Reichsrat vordeklamieren ließ, ist vom ersten bis zum letzten Wort erstunken und erlogen – eine plumpe Fälschung und politische Schiebung. Entweder stand der Führer unter Drogeneinwirkung, als er das Testament auf Band sprach, oder ein Stimmfälscher, der in der Reichskanzlei schon öfters beschäftigt worden ist, ein Klempnermeister namens Möldagl aus Ried im Innkreis, Gau Oberdonau, der die Stimme des Führers bis ins kleinste nachahmen kann, hat das Testament gelesen. Es ist auffallend, daß der Leichnam Hitlers erst zweimal kurz im Fernsehen gezeigt wurde, Sonntag und Dienstag, und zwar aus größerer Entfernung – aufgebahrt im Arbeitszimmer, mit der Ehrenwache, durch die Bank erprobten Werwolfleuten, Handlangern Köpflers. Seither liegt der Führer im geschlossenen Sarg, und der Sarg wird Tag und Nacht scharf bewacht. Köpfler will nichts, als sich und den Werwolf an die Macht bringen. Ein paar ungefährliche Jasager aus dem alten Reichskörper hat er belassen – alles Augenauswischerei. Manche in der Parteispitze wissen das, haben aber nicht den Mut und auch nicht den Willen, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit wäre der Bürgerkrieg. Der Konflikt mit dem Tenno, der gegen den Willen des Führers vom Zaun gebrochen wurde, zwingt die Partei, den inneren Hader zurückzustellen – und diese Schwäche, dieses Zaudern macht sich Köpfler zunutze. Doch die Abrechnung kommt so sicher wie der Jüngste Tag …“
    Der Mann sprach langsam, mit unverkennbar rheinischem Anklang, mühsam die Sätze formend, als habe er eine schwere Zunge. Kein Zweifel, es war Manfred Diebold, der gesprochen hatte. Höllriegl hatte sein Bild da und dort gesehen, obwohl gerade Diebold als Gegner der politischen Bildreklame galt. Diebold, der Reichsführer SS , Nachfolger des verstorbenen Heinrich Himmler, des großen „Heini“, Reichsinnenminister und Chef der Deutschen Polizei, bis zu seiner Absetzung einer der mächtigsten Männer des Weltreichs, vielleicht der Mächtigste nach dem Führer – ein zu Tode Gehetzter!
    „Wir heben die Tafel auf“, sagte der Vorsitzende und erhob sich; das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch. Höllriegl war von dem Gehörten so durcheinander, daß er wie ein Betrunkener schwankte, der Professor mußte ihn stützen. Die vier Beisitzer verschwanden grußlos, nur Diebold gab Höllriegl die Hand und sah dabei weg. „Gott schütze unser Deutschland“, murmelte er.
    In der Bibliothek erhielt Höllriegl aus der Hand des Vorsitzenden ein dickes Heft, ein Typoskript. „Unser Gutachten“, erklärte der Professor und zwirbelte seine Löckchen, „eine kollektive Arbeit. Ich denke, Sie binden sichs mit diesen Schnüren auf den Rücken – ja, unter das Hemd … Apropos, Ihre Beule wird schön braun – Parteifarbe, hehehe.“ Er wies mit Gönnermiene auf Höllriegls Schandmal. „Wo Sie die auch herhaben – als Angehöriger der Herrenrasse sollten Sie diesen Schimpf nicht auf sich sitzenlassen. Jedenfalls … Sie tragen Ihr Trauma offen

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