Wenn das der Führer wüßte
Falle! Wie kam er da mit heiler Haut wieder heraus? Unmöglich ohne fremde Hilfe. Der Vorsitzende sah zwar wie eine Molluske aus, aber die vier Beisitzer schienen, obwohl bejahrt, starke, knochige Kerle zu sein, besonders der eine links außen wirkte wie der Senior eines Ring-Vereins. Dann der Mechaniker! Und das Labyrinth! Wer weiß, was diese Unterwelt noch an Überraschungen barg! Höllriegl bedauerte heute zum zweitenmal, das Schießeisen im Wagen vergessen zu haben.
„Falls Sie wiederkommen und ich einmal verhindert sein sollte“, fuhr der Vorsitzende in väterlichem Ton fort, „wird mich einer meiner Mitarbeiter vertreten. Sie alle sprechen gut Deutsch, obwohl sie keine Deutschen sind. Der Herr da [er deutete auf den ihm rechter Hand zunächst Sitzenden] ist Professeur Guy de Saint-Phalle, der Name ist selbstverständlich ein Pseudonym; der Herr neben ihm ist Doktor Geza Fekete-Bino, ehemals Burghölzli; und der Herr dort [er wandte sich dem linken Flügel zu] heißt Toottlewasher, Irving S. Toottlewasher, früher Oxford; der vierte im Bunde ist Señor José Otón Aterga y Gaudemiché (Pseudonym!), einst Inhaber eines Lehrauftrages für experimentelle Psychologie an der Madrider Universität. Sie haben es mit Spezialisten höchsten Ranges zu tun.“
Die Spezialisten rührten sich nicht, keiner lächelte, keiner quittierte die Vorstellung mit einem Kopfnicken. Wie bleiche, versteinerte Götter eines Inquisitionsgerichts saßen sie da, ihre Brillengläser spiegelten ihn nach wie vor an – boshaft, feindselig, wie ihm vorkam.
„Jeder dieser Herren hat berühmte Arbeiten geliefert – ich meine: berühmt in der unterirdischen Fachwelt. So gibt es von Professor Toottlewasher, um nur einige Beispiele zu nennen, eine Untersuchung ‚Zur Theorie der menschlichen Aggression’, die – Sie werden lachen – kein Geringerer als Schultze-Rüssing für sein Lehrbuch benutzte. Denn wir sind ja schon zufrieden, wenn unsere Theorien und Forschungsergebnisse sich ‚oben’ in gewissen Niederschlägen wiederfinden. Ein weiterer Essay von ihm, ‚Allmacht der Gedanken und politische Führung’, ist auf Umwegen bis in die Reichskanzlei gedrungen und wurde dort an maßgebender Stelle verarbeitet. Ob Sie mich für größenwahnsinnig halten oder nicht – sogar in manchen Führerreden haben wir unsere Argumente entdecken können! Weitere Abhandlungen von Professor Toottlewasher: ‚Eine Teufelsneurose im KL Natzweiler’, ‚Amphimbris urethraler und analer Triebregungen’, ‚Ejakulationsphantasien eines wegen Rassenschande Kastrierten’, ‚About Animism in Modern Mass Society’, ‚Über eine typische Form von Koprolalie bei Dietrich Eckart’ etcetera etcetera. – – – Doktor Fekete-Bino, vor dem Krieg eine unserer größten Kapazitäten auf dem Gebiet der analytischen Mythenforschung, schrieb im letzten Jahr über ‚Genialität und Genitalität’, ‚Das Ding – an sich’ [der Vorsitzende lächelte fein], ‚ Oralerotik und Mundart’, ‚Fiktionalismus in der altnordischen Dichtung’, ,Waberlohe und Keuschheitsgürtel’ und so weiter. – – – Auch unseren Freund und Mitarbeiter Guy de Saint-Phalle darf ich einen Seelenforscher von hohen Graden nennen. Seine grundlegende Abhandlung ‚Gedanken über die Tabuisierung des weiblichen Genitales’ ist, nach deren kürzlicher Neufassung, in analytischen Untergrundzirkeln wieder stark im Gespräch, ebenso sind es seine bedeutenden Essays ‚Bettnässen und trockener Humor’, ‚Der Analcharakter im Lichte der post-freudschen Seelenforschung’, ‚Versuch einer Strukturanalyse der Grausamkeit’, welchen Aufsatz wir noch Professor Schultze-Rüssing wie auch Harry Styles Lynn von der University of the South, Sewanee, zur Kenntnis bringen werden, ‚Zur Genesis und Dynamik des Führungsanspruchs’, ‚Anticipations des principes de psychoanalyse dans l’oeuvre d’un poéte naziste’. Zur Zeit beschäftigt sich Saint-Phalle mit einer hochwichtigen Sache; es handelt sich um einen sehr ehrenvollen Auftrag der Professoren Pitigrilli, Kapauner und Hodenbruch vom Museum für Sexologie in Leyden. Die Arbeit betitelt sich ‚Der Mutterkuchen als rituelle Mahlzeit bei den Cora-Indianern’. – – – Schließlich behandelt unser Freund dort, Blüte des spaniolischen Blut- und Geistesadels, eine Reihe äußerst aktueller Themen, darunter ‚Die Ejakulation als Sieg des Urethralen über das Anale’, ‚Das Analogon in der germanischen und jüdischen
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