Wenn das Herz heimkehrt: Mittsommerträume (German Edition)
angekommen, blickte er suchend nach rechts und links.
Da war sie!
“Katrina?”, rief er. “Katrina, warte!”
Sie blieb stehen, drehte sich zu ihm um. Nun konnte kein Zweifel mehr bestehen. Sie war es wirklich.
Lars verlangsamte seine Schritte. Jetzt, wo er ihr beinahe gegenüberstand, wusste er nicht mehr, was er sich eigentlich dabei gedacht hatte, ihr nachzulaufen. War zwischen ihnen nicht längst alles gesagt?
“
Hej
, Lars”, sagte sie kühl. Sie schien nicht im Mindesten überrascht, ihn zu sehen. “Wie geht es dir?”
“Interessiert dich das wirklich?”, beantwortete er ihre Frage mit einer Gegenfrage.
Ein Muskel auf ihrer Wange zuckte, sonst offenbarte sie keinerlei Reaktion. Erstaunlich wenig erinnerte an das fröhliche und lebenslustige Mädchen, als das er sie kannte. Ohne Zweifel war sie in den vergangenen fünf Jahren reifer und erwachsener geworden.
Allerdings fragte er sich unwillkürlich, ob man diese Veränderung tatsächlich als positiv bezeichnen konnte.
Er dachte an die Bilder, die aus seiner Erinnerung an sie entstanden waren. Keines davon hing in der Galerie, die er im letzten Jahr gemeinsam mit Marie eröffnet hatte. Fast alle stammten aus der Zeit kurz nachdem Katrina aus seinem Leben verschwunden war. Sie zeigten sie so, wie er sie vor sich sah, wenn er die Augen schloss: lebensfroh und begeisterungsfähig, aber auch dickköpfig und stur.
Jetzt zeigte ihr Gesicht fast überhaupt keine Gefühlsregung mehr. Lars empfand diesen Umstand beinahe als Verlust.
“Natürlich interessiert es mich”, erwiderte sie nach kurzem Zögern. “Sei bitte nicht albern, immerhin waren wir früher einmal ziemlich gut befreundet.”
“So könnte man es auch bezeichnen.”
Sie runzelte kurz die Stirn, doch schon Sekunden später hatte sie sich wieder im Griff. “Das ist doch Zeitverschwendung. Es war nett, dich wiederzusehen, Lars, aber ich bin im Augenblick sehr beschäftigt, wie du dir sicher vorstellen kannst.”
“Natürlich. Ach, übrigens – ich hatte bislang leider nicht die Gelegenheit, dir mein Beileid auszusprechen. Der Tod deiner Eltern war sicherlich ein Schock für dich. Ich konnte es kaum glauben, als ich hörte, dass sie mit ihrem Wagen verunglückt sind.”
Er hielt ihr die Hand entgegen, aber sie stand nur da und starrte ihn an. Dabei schien sie ihn jedoch nicht einmal richtig wahrzunehmen, sondern geradewegs durch ihn hindurchzublicken.
Für einen schrecklichen Moment fühlte Katrina sich zurückversetzt zu jenem verregneten Tag auf dem Friedhof von Nausberga vor zwei Wochen.
Die Trauergemeinde hatte sich bereits in alle Winde verstreut, als sie mit vier Stunden Verspätung vom Flughafen eintraf. Einsam und allein stand sie am Grab ihrer Eltern, ihre Tränen vermischten sich mit dem warmen Frühsommerregen, der sanft vom Himmel fiel.
Als würden die Engel weinen …
Was für eine Ironie, dass ihr die Worte ihrer Mutter ausgerechnet in diesem Augenblick in den Sinn gekommen waren. Und wie überaus bezeichnend.
“Katrina? Ist alles in Ordnung mit dir?”
Lars' Frage holte sie in die Gegenwart zurück. Sie blinzelte kurz, dann hatte sie sich wieder im Griff. “Entschuldige bitte, was hast du gerade gesagt?”
“Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist.”
“Ja, natürlich. Alles bestens.” Sie lächelte gequält. “Vielen Dank für dein Mitgefühl, ich weiß es zu schätzen. Aber lass uns lieber über etwas anderes reden. Das Bild im Schaufenster – ist das von dir?”
“Einige der Gemälde habe ich gemalt”, erklärte Lars. “Die Galerie gehört mir. Nun, genau genommen eigentlich nur zur Hälfte. Marie hat …”
“Marie Hedlund?”
Er nickte.
“Seltsam, ich hatte nie den Eindruck, dass sie sehr an Kunst interessiert war”, murmelte Katrina. Den Rest ihres Gedanken –
an dir dafür umso mehr
– ließ sie unausgesprochen.
Lars schien nicht recht zu wissen, was er darauf erwidern sollte. “Menschen verändern sich nun mal.”
“In der Tat”, erwiderte sie mit einem kleinen bitteren Lächeln. “Wer sollte das besser wissen als wir beide?” Sie atmete tief durch. “Hör zu, ich habe es wirklich eilig. Vielleicht laufen wir uns ja noch einmal über den Weg.”
“Wie lange wirst du bleiben?”
“Solange es nötig ist. Ich nehme an, dass ich in ein paar Tagen wieder nach New York zurückkehren kann.” Sie nickte Lars noch einmal kurz zu. “Bis dann also.”
“Ja, bis dann.”
Katrina wandte sich ab und ging eilig zurück zu
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