Wenn das Herz heimkehrt: Mittsommerträume (German Edition)
ausweichend. Sie verspürte keinen gesteigerten Drang, den Anwalt darüber aufzuklären, dass dieser sogenannte Termin durchaus privater Natur und zudem eine der größten Enttäuschungen ihres Lebens gewesen war. “Aber jetzt habe ich mir ein paar Tage freigenommen, schon allein, weil ich mich persönlich um den Verkauf des Söderhus kümmern möchte. Niemand kennt den Wert des Hauses besser als ich.”
Strindbergs Miene war undurchdringlich. Er bot ihr einen Platz an. “Warum setzen wir uns nicht erst einmal? Dann können wir sämtliche Details des Testaments deiner Eltern miteinander durchsprechen.” Er warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. “Eine Klausel dürfte dich auch in Bezug auf den Verkauf des Söderhus interessieren. Aber machen wir es uns doch zunächst ein bisschen bequem. Möchtest du vielleicht einen Tee oder einen Kaffee?”
“Nein, danke”, winkte Katrina ab und setzte sich. Sie musterte den Anwalt argwöhnisch. “Von was für einer Klausel sprechen wir bitte?”
“Nun, was das Testament deiner Eltern betrifft, so haben deine Mutter und dein Vater dich natürlich zur Alleinerbin bestimmt.”
Erleichtert lehnte sie sich in ihrem Besuchersessel zurück. Dann war ja alles in Ordnung. Für einen kleinen Moment hatte sie gefürchtet, dass es Probleme geben könnte.
“Nur insofern es einen Verkauf des Grundstücks und des Hauses betrifft, gibt es eine winzige Einschränkung.”
Katrina setzte sich auf.
“Es handelt sich im Grunde lediglich um eine kleine Formalität”, fuhr Strindberg mit einem hintergründigen Lächeln fort. “Alles, was du tun musst, ist, sechzig Tage im Söderhus zu wohnen. Danach kannst du mit deinem Erbe anfangen, was immer dir beliebt.”
2. KAPITEL
W ütend hieb Katrina mit der Faust auf das Lenkrad des Toyotas, der noch immer vor dem blauen Haus am Ende des Gamlavägen stand. Sie war viel zu durcheinander, um jetzt zu fahren. Wahrscheinlich würde sie einen Unfall verursachen, ehe sie auch nur hundert Meter hinter sich gebracht hatte.
Sie schloss die Augen und massierte ihre Schläfen mit den Fingerspitzen. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte einfach nicht wahr sein!
Sechzig Tage.
Als Torben Strindberg sie vorhin über die Klausel im Testament ihrer Eltern in Kenntnis gesetzt hatte, war es ihr zunächst wie ein böser Traum vorgekommen. Sie sollte sechzig Tage am Stück im Söderhus wohnen, um es danach verkaufen zu dürfen? Wer, um Himmels willen, kam auf so eine Idee?
Verflixt, was hatten ihre Eltern sich nur wieder dabei gedacht? Wann würden diese ewigen Einmischungen endlich aufhören?
Ganz offensichtlich hielt nicht einmal der Tod Cynthia und Kristof Hallström davon ab, ihrer Tochter vorschreiben zu wollen, wie sie ihr Leben zu führen hatte. Selbst posthum mussten sie ihren Willen noch durchsetzen!
Genau das war der Grund, weshalb sie es damals nicht mehr in Kronsfjället ausgehalten hatte. Sie war sich vorgekommen wie der sprichwörtliche Vogel im goldenen Käfig, der alles bekam, was er sich wünschte – abgesehen von seiner Freiheit.
Kurz nach ihrem neunzehnten Geburtstag war es dann zum großen Krach gekommen, den Katrina zum Anlass nahm, ihre Koffer zu packen und ihr Zuhause zu verlassen.
Das Haus, in dem sie – so es nach dem Willen ihrer Eltern ging – die nächsten sechzig Tage verbringen sollte.
Als sie einen Blick auf die Digitalanzeige im Armaturenbrett des Toyotas warf, stellte sie zu ihrem Erschrecken fest, dass es bereits weit nach fünf war. Wie lange mochte sie hier herumgesessen und gegrübelt haben? Das passte eigentlich gar nicht zu ihr. Sie betrachtete sich gern als Frau der Tat, die sich mit Ehrgeiz und Elan jeder Herausforderung stellte. Dies war eindeutig der falsche Zeitpunkt, sich wieder in längst besiegt geglaubte Verhaltensmuster drängen zu lassen.
Von neuer Energie erfüllt, startete Katrina den Motor und wendete den Wagen. An der Kreuzung mit der Hauptstraße fuhr sie dieses Mal geradeaus. Bald darauf konnte sie vor sich schon das klare Wasser des Nålskansees sehen, das im Sonnenlicht wie eine Million Diamanten funkelte.
Wenige Minuten später erreichte sie das Söderhus und stellte den Wagen neben dem großen verschachtelten Gebäude ab.
Es war in der typisch schwedischen Holzbauweise errichtet und wies zahlreiche Erker und Giebel auf. Die Rahmen der hohen Fenster, die Geländer der Balkone sowie die breiten Holzbalken des Dachstuhls waren weiß gestrichen und bildeten einen hübschen Kontrast zu den
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