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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Barbara ihnen auf Drängen des National Park Service die Genehmigung verweigerten, ließ ihr Interesse nach, und was immer die Scorpion Ranch einst gewesen war – jetzt war sie es nicht mehr. Bax erweckte sie zu neuem Leben. Die beiden stellten ihn ein, um wenigstens ein bisschen Profit aus dem Land herauszuholen, und er strengte sich an, stellte Männer ein, reparierte Zäune, trieb so viele verwilderte Schafe zusammen wie möglich und brachte siebzig gekörte Rambouillet-Böcke auf die Insel, um die Zucht aufzuwerten. Und Rita strengte sich ebenfalls an. Und Francisco. Und Anise. Alle strengten sich an. Aber wie konnte man hoffen, irgend etwas zusammenzuhalten, wenn die Welt so leicht zerbrechen konnte wie Bax’ Rippen und der lange weiße Knochen, der auf den glänzenden schwarzen Röntgenbildern des linken Beins wie ein Geisterknochen aussah? Bax war bettlägerig, das war die Tatsache, und irgendwelche Männer waren unbefugt eingedrungen, hatten mit Gewehren herumgeballert und die Mutterschafe von ihren Lämmern vertrieben.
    Anise war untröstlich. Als es vorbei war – und es war erst vorbei, als die Raben es beschlossen, als sie sich wie große geflügelte Schnecken von dem Festmahl erhoben und davonflogen –, ging Rita zu ihr. Sie fand sie inmitten der Lämmer zusammengekauert auf dem niedergedrückten Gras, das tropfnasse Haar hing ihr ins Gesicht, die Schultern zuckten, und die Kleider waren nass von Regen und Blut. Einige der Lämmer waren so schwach, dass sie nicht stehen konnten, ihre übergroßen Ohren lagen flach auf dem Gras, und ihr Blöken klang wie ein disharmonischer Klagegesang. Sie brauchten den Schutz, die Wärme, die Milch ihrer Mütter, und wenn sie die nicht bald bekamen, würden die Verluste weit größer sein als die dreiundsiebzig toten Lämmer, die Rita bereits gezählt hatte.
    »Komm, Schatz«, sagte sie und mühte sich, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, »komm, wir gehen ins Haus, dann kannst du dir was Trockenes anziehen, und ich mache Tee. Oder Schokolade. Wie wär’s mit heißer Schokolade?«
    Anise gab keine Antwort. Sie hockte da, die Arme um die Knie geschlungen, und wiegte sich vor und zurück. Ihre zusammengepressten Lippen waren blutleer und zuckten wie eine Wünschelrute. Sie sah nicht einmal auf.
    Rita stand im Regen und versuchte, ihrer Tochter zuliebe sanft und vernünftig, tröstend und mütterlich zu sein, doch in Wirklichkeit war sie nichts dergleichen. In diesem Augenblick sah Anise aus wie Toby, wenn er deprimiert war, wenn sie auftraten und praktisch niemand gekommen war, wenn der Typ von der Plattengesellschaft ihnen sagte, er habe Vorbehalte gegen einige der Songs auf ihrem zweiten Album, denn sie seien schwach, nein, mehr als schwach, sie seien Scheiße, reine, unverfälschte Scheiße, und Toby war das letzte, an was sie jetzt denken wollte. Toby mit seinen Wutanfällen, seinen Affären, seinem Koks. Cocaína , nannte er es. Lass uns ein Näschen Cocaína ziehen . Super. Tolle Idee. Wo sie noch nicht mal die Miete bezahlen konnten.
    Sie riss sich zusammen. »Wir können nichts tun«, sagte sie. Der Geruch des Regens verstärkte den Gestank des Todes, der über der Wiese lag, und schließlich wollte sie sich nur noch auf die nasse Erde sinken lassen – genau hier, vor den Augen ihrer Tochter – und weinen, bis sie keine Tränen mehr hatte. Wozu das alles? Wozu die Sorgen, die Entbehrungen, wozu jeden Cent in die Herde stecken, ohne etwas davon zu haben, außer dass sie nur immer größer wurde? »Was geschehen ist, ist geschehen, wir können jetzt nur die Mütter zu ihren Kleinen zurückkehren lassen. Siehst du?« sagte sie und wies über die Wiese zu den Hügeln, wo Francisco und Bumper die Herde zusammentrieben. »Sie kommen schon. Sie sind genauso besorgt wie wir.«
    Anises Stimme war leise und bitter. »Und was ist mit denen, die keins mehr haben, um das sie besorgt sein können? Was sollen die tun?«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß, wie weh das tut.«
    Sie dachte daran, wie im vergangenen Jahr ein Lamm gestorben war, weil es ein verkümmertes Bein gehabt hatte, und die Mutter immer wieder an den Überresten – den Hufen, dem Schädel, dem Fell – geschnuppert hatte, auch als das Fleisch schon längst verwest gewesen war. Es war eine Art von Schmerz, die den Sprung von einer Spezies zur anderen schaffte, von Ovis aries zu Homo sapiens , auch jetzt, da dreiundsiebzig Mutterschafe vergeblich nach Lämmern riefen, die nicht mehr antworten

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