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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Lämmern? Es waren dreiundsiebzig.«
    Der große Mann – das war Thatch, und er musste früher mal eine Art Bodybuilder gewesen sein – zuckte nur die Schultern. »Redet doch mit den Gherinis«, sagte er. »Ich schulde euch gar nichts. Ihr schuldet mir was. Ihr habt kein Recht, den persönlichen Besitz anderer Leute zu zerstören, und ihr werdet das bis auf den letzten Cent bezahlen, sonst –«
    »Sonst was?« Bax hob das Gewehr. Es war lächerlich und mickrig im Vergleich zu denen, die die beiden dicken Männer über den Schultern trugen.
    Thatch hatte sich nicht gerührt. Er war sechs Meter entfernt. Der Bogen ragte über dem Kopf auf, als wäre er an ihm befestigt, ein überzähliges Glied, das zwischen seinen Schulterblättern entsprang. »Ich bring euch vor Gericht, ihr kriegt eine Zwangsräumung. Legt euch nicht mit mir an. Ich bin kurz davor, dir in deinen verkrüppelten Arsch zu treten – Krücken hin oder her.« Er sah Rita an. »Und dir ebenfalls, du Schlampe.«
    Die Heftigkeit, der Hass, die explosive Gewalt des Augenblicks – Leben und Tod , dachte sie, Leben und Tod – machten sie fassungslos. Ängstlich. Was hatte sie getan?
    Keiner bewegte sich. Keiner sagte ein Wort. Filmbilder schossen ihr durch den Kopf, High Noon, Showdown, erfundene Geschichten in Technicolor, und wer waren diese Leute, die im Kunstblut auf der Erde lagen? Statisten, Stuntmänner, böse Männer. Nicht Bax, nicht sie. Aber wo war die Wirklichkeit, wo war das Verbot? Wo war das Gesetz? Oder auch nur die Normalität?
    Letztlich – und es geschah, bevor sie den nächsten Atemzug tun konnte – fiel nur ein einziger Schuss, und es war Bax, der ihn abfeuerte, ein unvermittelter scharfer Knall wie von einer Peitsche, der Staub am anderen Ende des Hauses aufstieben ließ. Bax hatte nicht gezielt, hatte vielleicht nicht mal den Abzug betätigen wollen, aber der Schuss zeigte Wirkung. Die beiden mit den feisten Gesichtern fuhren zurück, als würden ihre Knie nachgeben, und Thatch wurde blass.
    Sie konnte Bax nicht einschätzen, konnte nicht sagen, ob der eiskalte Blick seiner Augen von den Schmerzen in den Rippen oder einem Aufwallen von Wut rührte oder ob er einfach überrascht war darüber, was er getan hatte, wozu es gekommen war. Er senkte seine Stimme zu einem wütenden Flüstern: »Du aufgeblasener Scheißkerl – was glaubst du eigentlich, wer du bist?«
    Thatch war noch immer bleich, so weiß wie Mehl. Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen, als hätte jemand ein Ventil geöffnet. Er versuchte seine Stimme zu beherrschen. »Glaubst du vielleicht, du kannst mich einschüchtern?«
    Und Bax erwiderte: »Und ob.« Schach und Schachmatt.
    Sie sah, dass es schwierig werden würde, wieder in den Pick-up zu steigen – Bax würde mit den Krücken hantieren und für den entscheidenden langen Augenblick ungeschützt sein, während sie den Zündschlüssel drehte und Thatch und seine Schafkiller taten, was sie glaubten tun zu müssen, um ihr Zeug zurückzubekommen –, und so ging sie zur Fahrertür des Wagens und sagte so laut, dass alle es hören konnten: »Ach, scheiß drauf. Los, wir fahren. Lass uns hier verschwinden.«
    Thatch machte keine Anstalten, sie aufzuhalten, doch der Blick, mit dem er sie ansah, war finster wie der Tod. Sie ließ den Wagen an, dass der Auspuff röhrte, und der Lärm, ihre Bewegungen und die Behendigkeit, mit der sie sich auf den Fahrersitz setzte, die Schultern straffte und am Ganghebel riss, lenkten die drei so lange von Bax ab, dass er mitsamt Krücken und Gewehr einsteigen konnte. Sie sah Thatch nicht an, als sie das Gaspedal durchtrat und auf dem Weg davonholperte, bis die Ranch, das Feuer und die drei kleinen Gestalten nur noch ein Fleck im Rückspiegel waren.
    Noch nie im Leben hatte sie sich so am Boden zerstört gefühlt. Ihre Hände zitterten, ihre Füße fühlten sich an wie tot, und sie spürte den Boden ihres Magens, als wäre er mit einem Reißnagel befestigt. Den ganzen gewundenen Weg zur Mesa hinauf brüllte Bax seine Wut heraus, und sie brüllte zurück. Sie fassten alle möglichen Beschlüsse: was sie tun würden, was Bax zu den Besitzern und der Polizei und der Küstenwache und allen, die es hören wollten, sagen würde, doch all das brachte ihnen gar nichts, denn als sie auf der anderen Seite der Mesa hinabfuhren und die Scorpion Ranch in Sicht kam und größer und größer wurde, bis sie die ganze Windschutzscheibe ausfüllte, sahen sie den Hubschrauber reglos vor dem Haus. Daneben

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