Wenn das Schlachten vorbei ist
zerklüftete Insel Santa Cruz plötzlich den Horizont ausfüllt und ihre Klippen im satten Schein der frühen Morgensonne aufleuchten.
Und da weiß er, dass er spät, sehr spät, zu den anderen stoßen wird und dass er Anise und Wilson anrufen muss, um es ihnen zu sagen. Ein Dutzend Dinge schießen ihm durch den Kopf. Er sieht sich eine Decke oder vielleicht eine Malerplane über den Käfig breiten, damit die Tiere sich nicht noch mehr ängstigen, sieht sich anhalten und einen Bagel und einen Becher Kaffee kaufen, um etwas im Magen zu haben. Aber nein, dafür ist keine Zeit, für nichts ist Zeit. Wenn er überhaupt anruft – und das muss er, er nimmt es sich vor –, dann von Bord des Boots aus.
DIE BLACK GOLD
An diesem Abend macht sie Überstunden und sitzt noch an ihrem Schreibtisch, als die anderen schon längst gegangen sind. Nicht dass irgend jemand sie je nach ihrer Stundenzahl fragen oder sie selbst zwanghaft auf die Zeit achten würde wie ein Fabrikarbeiter, denn schließlich ist sie ihr eigener Boss, und ihr Zeitplan ist flexibel –, aber sie ist eben gewissenhaft, und wenn es halb fünf ist, sieht sie nicht mal auf. Das Frühstücksmeeting war Arbeit, keine Frage, aber es hat einen Teil ihres Arbeitstages in Anspruch genommen, und es gibt Dinge, die sie erledigen muss. Wichtige Dinge. Bestellungen. E-Mails. Die neuesten Zahlungen an Island Healers, die ihr Geld monatlich bekommen. Und nicht zuletzt muss sie sich Alicias Computer ansehen.
Sie hat nichts gesagt, als Alicia schließlich kam, fünfzehn Minuten nach ihr, die schüchterne, errötende Alicia, deren Blick dem ihren auswich – ein klares Schuldbekenntnis –, und nur murmelte, es tue ihr leid, dass sie so früh eine Kaffeepause gemacht habe, aber sie habe verschlafen und sei ohne Frühstück aus dem Haus gestürzt, und da im Büro ohnehin nichts los gewesen sei, habe sie gedacht, das sei nicht so schlimm. Alma, noch immer erschüttert, starrte sie nur so kalt wie möglich an. Dann kam die Mittagszeit, und Alicia blieb an ihrem Platz. Direkt auffällig. Stand nur auf, um sich am Automaten eine Diät-Pepsi zu holen, und noch einmal, eine halbe Stunde später, um zur Toilette zu gehen, nahm mit ihrer rauchigen, nuancierten Stimme Anrufe entgegen, gab mit rasch über die leise klickende Tastatur tanzenden Fingern Daten ein, während Menschen kamen und gingen, Telefone läuteten und Neonröhren summten.
Die Schatten wurden länger, der Nachmittag schritt voran und versank schließlich im Meer. Um halb sechs war Feierabend. Alicia stand auf, kramte kurz in Portemonnaie und Rucksack, murmelte: »Bis morgen dann« und schloss im Hinausgehen die Tür. Alma war ganz versunken in ihre Arbeit. Eine volle Stunde ging dahin, bis sie sich an Alicias Computer setzte, und eine weitere halbe Stunde, bis sie ihn wieder ausschaltete. Sie suchte nach Unregelmäßigkeiten, Kontakten, E-Mails, die ihren Verdacht bestätigen würden, fand aber nur die übliche Geschäftskorrespondenz. Und doch war Alicia mit Wilson Gutierrez zusammen – es sah ziemlich intim aus, wie er den Arm um sie legte und das Tablett mit Kaffee und Kuchen vor sie hinstellte, als wäre er es gewohnt, sie zu umwerben, zu bedienen –, und das war auf allen Ebenen, die ihr einfielen, eine Grenzüberschreitung. Aber konnte sie ihr deswegen kündigen? Stand in dem Arbeitsvertrag zwischen dem Park Service und seinen Angestellten irgendeine Klausel, die eine Kollaboration mit dem Feind verbot? Während der Arbeitszeit! Oder fiel das unter Meinungsfreiheit?
Als sie das Büro schließlich verlässt, ist es jedenfalls nach sechs, und aus dem Himmel ist alles Licht gewichen. Die Yachten warten geduldig an ihren Liegeplätzen, aus der einen oder anderen Kajüte fällt gedämpftes bernsteinfarbenes Licht, das Wasser ist so unbewegt wie die Promenade, die daran entlangführt. Ein kurz widerhallendes dumpfes Pochen, so leise, dass es verschlossen und zweimal zusammengefaltet ist, bis es an ihr Ohr dringt, und sie blickt auf und sieht ein Arbeitsboot – Seeigelfischer – mit langsam pulsierenden Lichtern auf dem Weg zu seinem Liegeplatz an den Reihen gespenstisch aufragender Masten vorübergleiten. Es ist ein dem Tag gestohlener Augenblick, ein Augenblick der Ruhe und des Innehaltens, doch sie hält nicht inne. Sie geht immer zügig, sie ist immer in Eile, und auch jetzt bewegt sie sich schnell und weicht Kindern, exilierten Rauchern und schlendernden Paaren aus. Als sie am Docksider vorbeikommt, hört
Weitere Kostenlose Bücher