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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Rucksack leer ist, als seine Finger vor Kälte taub sind und seine Rippen bei jedem Schritt schmerzen, als würde einer dagegentreten, kehrt er zur Treppe zurück, wo Wilson ihn erwartet: Er sitzt auf einer Stufe, liest in einem Taschenbuch und raucht. »Fertig?« fragt Wilson und sieht auf. »Ja«, sagt er, und dann traben sie die Treppe hinunter. Der Blick auf die Bucht unter ihnen weitet sich: Das Park-Service-Boot ist noch immer an der Boje festgemacht, und die Paladin – nicht dass er sich wirklich Sorgen gemacht hätte – liegt noch immer vor Anker, den Bug im Wind, und die Wellen strömen an ihr vorbei wie Falten in einem Stück Stoff.
    Erst auf halbem Weg sehen sie die Gestalt dort unten, einen Mann in einem grünblauen Hemd, der ihnen den Rücken zukehrt und die Leiter hinuntersteigt, um sein Zeug in einem weißen Zodiac-Schlauchboot zu verstauen, das neben ihrem Beiboot liegt. Da bloß ein anderes Boot in der Bucht ist und nur ein entsprungener Irrer bei diesem Wetter mit einem Schlauchboot herkommen würde, muss man annehmen, dass der Mann zu dem Park-Service-Boot gehört. »Und jetzt ganz unauffällig«, sagt Wilson, aber Dave macht ihm ein Zeichen zu schweigen. »Keine Sorge«, sagt er und geht über den Steg, als wäre der Mann auf der Leiter gar nicht existent.
    Als sie näher kommen – der Typ dreht sich zu ihnen um, als hätte er ihre Anwesenheit oder, was wahrscheinlicher ist, die Schwingungen ihrer Schritte auf dem Steg gespürt –, stellt er zu seiner Überraschung fest, dass er ihn schon mal gesehen hat. Der Mann klettert auf den Steg, er lächelt nicht und ist groß, über eins neunzig, und er sieht sie erwartungsvoll an, als hätte er hier auf sie gewartet.
    Wenn es nach ihm ginge, würde er einfach wortlos vorbeigehen, kein Hallo oder Sieht nach Regen aus oder Leck mich am Arsch , aber Wilson fühlt sich offenbar berufen, als Botschafter des guten Willens aufzutreten. »Schönen Tag noch«, sagt er, wiegt die Schultern und grinst breit, indem er nur den Mund verzieht, ohne die Zähne zu zeigen, als könnte die geballte Strahlkraft all des weißen Zahnschmelzes den anderen blenden.
    Noch immer keine Reaktion von dem Mann in dem grünblauen Hemd. Der einfach mit verschränkten Armen dasteht, als würde er auf etwas warten. Er ist schmal in den Schultern, und der Rücken ist leicht gebeugt. Er sieht aus wie Mitte Dreißig, in seinem Gesicht sind keine Falten, und er wirkt ein bisschen wie ein Collegeboy, der cartoonartige Strichmund sitzt unter einer übertrieben großen Nase, die leicht nach links verschoben scheint, als wäre sie mal gerichtet worden. Grüne Augen, schmutzfarbenes Haar, das im Wind flattert. Und noch etwas: An der Brust seines grünblauen Hemds ist ein Namensschild, wie Polizisten es tragen. Sickafoose , steht darauf.
    Und da ist der Wind, das Beiboot zerrt an der Leine, Wellen schlagen an die Pfeiler des Stegs, der Geruch von Regen ist in der Luft, die Paladin liegt da draußen vor Anker, und dieser Idiot steht ihnen im Weg. »Die Insel ist für die Allgemeinheit gesperrt«, sagt der Typ schließlich. »Für die nächsten drei Wochen. Vielleicht haben Sie das Schild nicht gesehen?«
    »Nein«, hört er sich sagen, und er wird sich jetzt nicht aufregen, ganz bestimmt nicht. »Nein, wir haben kein Schild gesehen.«
    Sickafoose streckt einen langen grobknochigen Finger aus und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf ein weißes, emailliertes Schild von der Größe einer Schulwandtafel, auf der das Verbot in unmissverständlich knallroter Schrift steht. Wie hat er das nur übersehen können? Nicht dass es irgendeinen Unterschied gemacht hätte. Diese Insel wird geschützt für die Allgemeinheit, sie gehört der Allgemeinheit.
    »Und was sind Sie?« fragt Dave. »So eine Art Polizist?«
    »Ich bin Biologe.«
    »Gratuliere.«
    Sickafoose geht darauf nicht ein. Er hat etwas in der Faust, die er, einen Finger nach dem anderen, öffnet – eine Art langsamer Striptease, in dessen Verlauf rostrotes Katzenfutter und blassgelbe Vitamintabletten zum Vorschein kommen. Wilson tippt an den Schirm seiner Mütze, sagt: »Wir müssen dann mal los. Schönen Tag noch« und geht zur Leiter.
    »Moment«, sagt Sickafoose. Er streckt die Hand aus. »Wissen Sie, was das ist?«
    Jetzt spürt er ihn, den beschleunigten Puls jener Wut, an der Dr. Reisers Tabletten nur leise kratzen können, und er kann sich nur mühsam beherrschen, dem Typ nicht vor die Füße zu spucken. »Nein«, sagt er, und seine Stimme

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