Wenn das Schlachten vorbei ist
charmanten Begleiter tun?«
»Sie sind der Sommelier?« LaJoy funkelte ihn an. »Ich möchte eine Flasche Brunello di Montalcino Riserva, 1988 – den Castello Ruggiero.« Er zeigte auf das Fußende der letzten Seite der ledergebundenen Weinkarte und hob dann warnend den Finger. »Haben Sie mehr als eine Flasche davon? Denn es gibt nichts Enttäuschenderes, als einen erstklassigen Wein zu bestellen und nach der ersten Flasche zu merken, dass danach nur noch Zweitklassiges im Keller ist.«
»Allerdings«, sagte Giancarlo als Antwort auf beide Fragen. »Das ist einer unserer seltensten und besten Weine, und ich bin ganz sicher, dass wir mehrere Flaschen davon haben.« Und dann versuchte er ein Witzchen, das an LaJoy allerdings verloren war: »Sollten Sie sie alle trinken, würden Sie mich glücklich, vielleicht sogar überglücklich machen, und ich würde persönlich nach Hause fahren und Ihnen einige weitere Flaschen aus meinem privaten Keller bringen.«
Alma hatte währenddessen nicht aufgehört zu lächeln, doch sie sah LaJoy – Dave – mit einemmal in einem neuen Licht. Er war erregt, das war deutlich, aber warum? War es eine Art Machtspiel, bei dem er erst Fredo und nun auch noch Giancarlo zur Schnecke machen wollte, als könnte er ihr damit imponieren? Aber Giancarlo ging, um den Wein zu holen, einen Wein, der, wie ihr ein verstohlener Blick auf die Karte verriet, dreihundertfünfundzwanzig Dollar die Flasche kostete, und sie versuchte, die Sache zu überspielen. »Ich bin sicher, es ist ein guter Wein«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln ganz anderer Art, einem Lächeln aus zwei Teilen Zuversicht und einem Teil Unbehagen.
Er sagte nur: »Das will ich auch hoffen. Bei diesen Preisen.«
Und dann war Giancarlo wieder da und ließ es sich nicht nehmen, die Flasche persönlich und auf eine weiße Serviette gebettet zu präsentieren. Er hielt sie LaJoy zur Begutachtung hin, öffnete sie und legte den Korken diskret auf ein Tellerchen. LaJoy nahm ihn, schnupperte daran, machte ein säuerliches Gesicht und legte ihn wieder hin. Es folgte das Ritual der Verkostung: LaJoy hob das Glas an die Nase, hielt es ins Licht und ließ den Wein kreisen, um ihm Luft zuzuführen – er war dunkel und schwer wie das Blut auf dem Boden der Styroporschalen mit Steaks im Kühlregal des Supermarkts, Steaks, die sie seit ihrer Teenagerzeit nicht mehr gesehen oder gar gegessen hatte, denn das war gegen ihre Prinzipien –, und dann schließlich nahm er einen Schluck.
Sie sah ihn erwartungsvoll an, ebenso wie Giancarlo, der beflissen und überkorrekt darauf wartete, einschenken zu dürfen. Doch LaJoy verzog das Gesicht. Er nahm einen zweiten Schluck, bewegte den Wein im Mund hin und her und spuckte ihn dann zurück ins Glas. »Fusel«, erklärte er.
Giancarlo sagte nichts. Er stand hoch aufgerichtet da, hinter ihm das Restaurant mit den hübsch gedeckten Tischen und der gedämpften Konversation der Gäste, mit den von diskreten Scheinwerfern beleuchteten Gemälden an den ockerfarbenen Wänden, mit den Topfpalmen und den zarten Farnen – seine Existenz, sein Stolz, sein Herzblut.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Auf jeden Fall konnte sie nicht verlangen – oder auch nur darum bitten –, den Wein ebenfalls probieren zu dürfen. LaJoy war der Experte. Er war derjenige, der zahlte – er hatte sie eingeladen –, und so musste sie sich fügen. Aber er war zweifellos unhöflich, nein, ungehobelt, und zwar ohne jeden Grund. Absolut ungehobelt. Er sagte nichts Abmilderndes, weder Entschuldigung, es tut mir sehr leid, und ich weiß, dass das nur selten vorkommt, aber … noch Er muss gekippt sein , sondern machte nur eine Bewegung aus dem Handgelenk, als würde er ein lästiges Insekt verscheuchen, und vertiefte sich abermals in die Weinkarte.
Diesmal bestellte er einen französischen Wein, den zweitteuersten auf der Karte, und diesmal war es Fredo, der die Flasche präsentierte und, tadellos wie immer, das Ritual des Öffnens, der Begutachtung des Korkens und der Verkostung zelebrierte. Und diesmal sagte LaJoy mit angeekelt verzogenenm Mund, ohne Fredo zu beachten, den Blick fest auf Alma gerichtet: »Essig.« Und als er dann zu Fredo aufsah, brannte in seinen Augen jener fanatische Hass, den man in denen von Revolutionären sieht, und er sagte sehr langsam und deutlich, als müsste er sich beherrschen: »Bringen Sie mir noch mal die Weinkarte.«
Das war der Augenblick, in dem sie nach ihren Sachen griff, nach ihrer
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