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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Arbeit einer Bundesbehörde behindert.
    Wilson war bereit zu kämpfen. Er war von Anfang an dagegen, die Küstenwache zu rufen: »Was sollen diese Scheißer hier? Die werden es darauf anlegen, sich alles genau anzusehen, du weißt schon: › Wie viele Schwimmwesten haben Sie an Bord und wo ist der Feuerlöscher und was ist eigentlich mit den leeren Katzenfuttersäcken ganz unten im Abfall, wo Sie doch keine einzige Katze an Bord haben?‹« Aber keiner von ihnen konnte den Motor in Gang bringen, und selbst wenn sie einen Tag und eine Nacht und noch einen Tag auf ein Aufklaren gewartet hätten – was hätten sie dann tun sollen? Etwa nach Santa Barbara paddeln? Der Champagner stand unberührt im Kühlschrank. Es war Wilson, der schäumte. Schließlich war er einverstanden, und Anise war eine große Hilfe, denn sie hatte am nächsten Abend einen Gig in der Night Owl, und den wollte sie unter keinen Umständen verpassen, aber als der Kutter der Küstenwache längsseits ging und Wilson diesen Sickafoose und Ranger Rick sah, wurde sein Blick hart. »Lass diese Wichser nicht an Bord«, sagte er immer wieder. »Schmeiß sie gleich über die Reling.«
    Als es dann soweit war, als sie alle ein bisschen gedrängt an Deck standen und ihre Nasen ins Cockpit und die Kajüte steckten, wurde auch Anise sauer. Ranger Rick war mit einem dieser breiten schwarzen Ledergürtel ausgerüstet, wie Polizisten sie auf Streife tragen, komplett mit Schlagstock, Handschellen und Revolver. Sie wollte wissen, welches Recht der Park Service hatte, ein Privatboot in öffentlichen Gewässern vor den Küsten einer Insel zu betreten, die dem Volk der Vereinigten Staaten gehörte – dem Volk, wohlgemerkt, nicht ein paar Figuren in einem grünblauen Hemd mit einem Namensschild –, und er erklärte ihr in dem nüchtern ermahnenden Ton, den alle Polizisten auf der Welt beherrschen, wenn sie nicht sofort den Mund halte, werde er darüber nachdenken, ob er ihrem Freund und seinem Komplizen außer den genannten Vergehen nicht zusätzlich die Verabredung zu einer Straftat zur Last legen müsse.
    Auch er selbst war kurz davor zu explodieren – all diese Mühen und Ausgaben, nur um auf seinem eigenen Boot festgenommen zu werden, zwanzig Kilometer entfernt vom nächsten Reporter, während das Vitamin K sich im Regen auflöste und er absolut machtlos war –, doch dieses eine Mal beherrschte er sich. Ihm lag vor allem daran, die Dinge nicht eskalieren zu lassen. Die Situation war ungünstig, keine Frage, doch er überlegte bereits, wie er sie für Publicity ausschlachten konnte. Die Vorwürfe waren absurd und ganz offensichtlich übertrieben: Tiere zu füttern verstieß gegen das Gesetz, Tausende Tiere zu vergiften dagegen war völlig in Ordnung? Er sagte nur: »Ein Sturm zieht auf, und wir sind in Seenot. Alles andere ist mir neu. Das ist doch verrückt. Wir sind ein bisschen gewandert, das ist alles. Wollen Sie etwa behaupten, dass das verboten ist?«
    Heute aber ist es anders. Seit dem Zwischenfall sind zweieinhalb Jahre vergangen, soviel Zeit, dass alle ihn vergessen haben – bis auf das Gericht, den Park Service, Alma Boyd Takesue und den ganzen Rest dieser rachsüchtigen Hurensöhne –, und sein Anwalt hat die Sache mit diesem oder jenem Antrag hinausgezögert, bis sie nicht mehr weiter hinauszuzögern war. Die Verhandlung – die Farce, wie sein Anwalt sie nennt – ist erst für nächsten Montag anberaumt und in diesem Stadium nichts weiter als eine Formalität. Oder jedenfalls ist er zu neunundneunzig Prozent sicher, dass es so ist. Oder sein wird. Wilson hat sich bereits schuldig bekannt und eine Bewährungsstrafe gekriegt sowie eine Geldstrafe von zweihundert Dollar, und weil sie ja nicht unbedingt beide verurteilt werden müssen, hat Wilson ausgesagt, er habe allein gehandelt, Dave LaJoy habe absolut nichts gewusst von seinem Plan, unschuldige Tiere zu retten und den Planeten vor Leuten zu schützen, die lieber töten als erhalten wollen, und sein Freund sei an jenem Tag nur auf der Insel gewandert. Wie sie das Schild hätten übersehen können, wisse er nicht. Aber es sei windig gewesen, und der Wind habe ihnen Staub in die Augen geweht, weswegen sie die Kapuzen aufgesetzt hätten. Und dann habe es begonnen zu regnen.
    Das ist der Stand der Dinge. Er braucht sich also keine Sorgen zu machen. Das sagt er sich jedenfalls, denn ihm könnten sechs Monate Knast und fünftausend Dollar Strafe für jedes der beiden Vergehen blühen, aber daran will er

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