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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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entschied sie sich für ein Lokal im Lower Village. Teuer, aber welches Restaurant war das nicht? Die Küche war italienisch und gehoben, und sie war so oft dort gewesen, entweder allein oder in Gesellschaft einer Kollegin, dass man sie als Stammgast betrachtete. Oft genug jedenfalls, um von Giancarlo, dem Besitzer und Oberkellner, besonders zuvorkommend und fürsorglich behandelt zu werden, wenn sie mit einem Fremden dort zu Abend aß. Der sich möglicherweise als die große Liebe ihres Lebens erweisen würde. Oder als Katastrophe.
    Es begann verheißungsvoll. Er erschien zu Fuß, brachte Lilien vom Blumenmädchen – oder vielmehr der Blumenfrau – um die Ecke mit und plauderte mit ihr über dies und das, während sie die Blumen in eine Vase stellte, ihren schwarzen Spitzenschal um die Schultern legte und ihn zur Tür führte. Sie gingen die Straße hinunter, überquerten auf der Brücke die Schnellstraße und schlenderten zum Lower Village. Die Unterhaltung lief leicht und locker dahin: Er hatte ein Haus dort oben auf dem Hügel, kaum einen Kilometer entfernt, und kam andauernd an ihrem Haus vorbei, und wie lange wohnte sie dort eigentlich schon? Drei Monate? Wieso hatte er sie dann noch nie gesehen? Er konnte es nicht glauben. Wahrscheinlich hatte sie keinen Hund, denn wenn sie einen hätte, wären sie sich bestimmt auf dem Hügel oder auf der Straße oder am Strand begegnet. Nein, sie hatte keinen Hund – das hatte er ja sicher bemerkt –, obwohl sie Hunde liebte, aber sie war noch dabei, sich einzuleben, und musste beruflich oft hinaus auf die Inseln, wo Hunde verboten waren, weil sie Krankheiten unter den Füchsen und Skunks verbreiten konnten. Die Inseln? sagte er. Ich liebe die Inseln.
    Giancarlo begrüßte sie an der Tür und führte sie zu einem Tisch am Fenster, und dann kam der Ober – Fredo, ein hochgewachsener, düster blickender Chilene, der sich aus Gründen der Authentizität einen neapolitanischen Habitus und Akzent zugelegt hatte – mit der Weinkarte. »Was möchten Sie trinken?« fragte LaJoy sie. »Rotwein oder Weißwein?«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich mag Rotwein lieber«, sagte sie.
    »Ja«, sagte er, »ich auch. Es kommt natürlich auf das Essen an. Und den Anlass.«
    »Ich bin eigentlich nicht so schwer zufriedenzustellen«, gestand sie. »Das kommt davon, wenn man drei Jahre auf Guam verbracht hat.« Sie lachte sarkastisch. »Auf Guam trinkt man, was man kriegen kann. Hauptsächlich Sake. Und Whiskey. Oder wie er dort heißt: Whieski. Whieski Soda. Und Gin natürlich. Gin Tonic, das alte Allheilmittel.«
    Darauf hatte er nicht viel zu sagen. Er vertiefte sich in die Weinkarte, und seine Dreads fielen ihm in die Stirn, so dass sie das rosige Mosaik seiner Kopfhaut sehen konnte. Er fuhr mit dem Finger bis zum Fuß der Liste und sah auf zu Fredo. »Schicken Sie mir den Sommelier.«
    Fredo stand da, die Hände auf den Rücken gelegt, korrekt wie ein Bestattungsunternehmer. »Leider«, sagte er und kämpfte mit seinem Akzent, »haben wir eigentlich keinen Sommelier.«
    » Eigentlich? « LaJoy – Dave – sah ihn ungläubig und unwillig an. »Was soll das denn heißen? Haben Sie einen Sommelier oder nicht? Oder werden die Weine auf dieser Karte von der Zahnfee ausgeschenkt?«
    »Nein, Sir, dafür sind ich«, begann Fredo, »oder Giancarlo –«
    »Dann holen Sie ihn her.«
    Fredo verbeugte sich knapp und verschwand. Als er fort war, biss LaJoy in ein Grissino, als wäre es aus Holz, und sah sie an. »Amateure«, sagte er. »Ich hasse Amateure.«
    Sie sagte seinen Namen, langsam und mit sanftem Tadel. »Sie tun ihr Bestes. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal hier waren, aber das Essen ist ausgezeichnet, wirklich erstklassig.« Sie hielt inne. »Was haben Sie denn gesucht? Auf der Weinkarte, meine ich.«
    Er ignorierte sie und starrte an ihr vorbei auf Giancarlo, der durch das gutbesetzte Restaurant ging – die Gäste grüßten ihn, schüttelten ihm die Hand, badeten in seinem Lächeln und schätzten sich glücklich, mit dem Besitzer des Lokals auf so vertrautem Fuß zu stehen. Und Giancarlo füllte seine Rolle hervorragend aus: Er war zweiundfünfzig, groß, in Turin geboren und aufgewachsen, er hatte ein offenes Gesicht, kleidete sich in schiefergraue italienische Seidenanzüge und trug das Haar zurückgekämmt wie ein Mafia-Don. Lächelnd trat er an ihren Tisch. »Alma«, sagte er und wiederholte ihren Namen, als er sich verbeugte und ihre Hand küsste. »Was kann ich für Sie und Ihren

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