Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
spottete Kimberly und lachte hart, aber die Augen der anderen blieben ernst. „Oh wunderbar. Das wussten also auch schon alle.“
„Ich kenne nur die Geschichten, die man sich erzählt“, warf Gavin ein und legte ihr beruhigend die unverletzte Hand auf den Arm. „Aber anscheinend wissen wir nicht genug.“
Sam stimmte ihm zu. „Keiner von uns weiß, was er wirklich kann. Und wir wussten nicht, dass der Dämon durch ihn Macht hat. Dass er uns kontrollieren kann.“
„Macht, Dämon. Ich verstehe kein Wort.“
„Wir erklären es dir später. Zuerst gibt es eine neue Aufgabe.“
Marionetten-Männer
Der kleine Raum war dunkel eingerichtet, von der Decke hingen tote Tiere, Petroleumlampen und bunte Tücher. An den Wänden waren Malereien in einer Farbe, die aussah wie getrocknetes Blut. Vielleicht war es sogar Blut. Ein muffig-süßer Geruch hing in der Luft, als würden einige der Tiere noch immer verwesen, darüber lag der Gestank von billigem Tabak und anderen verbrannten Substanzen. Die Luft war dick und brannte in der Kehle.
Kimberly sah sich auf den Tischen um, die den Raum verstellten, und vollgestellt mit allem möglichen Krempel waren. Krüge, Tücher, Schmuck, Kräutersäckchen, Kerzen, Spiegel. Bloß keine Bücher.
„Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, flüsterte Kimberly und warf einen Blick in einen kleinen Spiegel mit goldenem Rahmen. Eine müde junge Frau blickte ihr entgegen und sie sah hastig wieder weg.
„Ja, ganz sicher“, entgegnete Gavin und stupste einen tiefhängenden, ausgestopften Vogel an, der ihm im Weg hing.
„Es sieht aber nicht so aus, als ob wir hier ein kostbares Buch finden würden. Als ob wir hier überhaupt ein Buch finden würden.“
„Es muss hier sein. Wenn es nicht hier ist, existiert es nicht mehr.“
„Vielleicht gab es nie eins. Vielleicht ist dieser Auftrag völlig sinnlos. Und wo ist hier überhaupt die Besitzerin?“
„Doch, es gibt eins. Ganz sicher. Und es ist hier. Es muss hier sein.“
„Hallo?“, rief Kimberly. „Ist hier jemand?“
In einer Ecke raschelte und klimperte ein Perlenvorhang aus bunten Glaskugeln und eine ältere, grimmig dreinblickende Frau kam zu ihnen. „Ja?“, brummte sie. Die grauen Haare waren hochgesteckt und in ihrem Mundwinkel hing eine Zigarre.
„Wir suchen ein Buch.“
Die Frau lachte ein trockenes Lachen, das rasch in einen heftigen Hustenanfall überging. „Ein Buch? Was wollen kleene Kinder wie ihr mit ‘nem Buch? Ihr könnt bestimmt nich‘ einmal lesen.“
„Und Sie, können Sie lesen?“
Die Frau entblößte ein schwarzes Gebiss, als sie breit grinste. „Natürlich. Wie sollte ich sonst meine Zaubersprüche aufsagen, um kleene Kröten wie euch zu verhexen?“
„Wir suchen ein Buch über Steine“, entgegnete Kimberly ungerührt und tastete nach dem Säbel an ihrer Hüfte.
„Wer interessiert sich schon für Steine?“ Sie lachte rau. Es klang nach zu viel Rauch. „Alles nur nutzlose, dreckige Dinger. Kann man sich nichts von kaufen.“
Kimberlys Lächeln wurde eine Spur verschlagener, einen Hauch weniger lieblich. „Und was ist mit dem Stein von Anór? Ich habe gehört, der soll kein nutzloses, dreckiges Ding sein. Er sieht sogar recht schön aus. Haben Sie denn ein Buch über ihn ?“
Die Frau zuckte zusammen, räusperte sich dann und paffte weiter an ihrer Zigarre. „Dummes Kind. Das is‘ ‘ne Legende. Darüber gibt’s keene Bücher.“
„Sind Sie die Besitzerin hier?“
Wieder das raue, röchelnde Lachen, das mehr einem Husten glich. „Seh‘ ich so aus? Nein, nein, Albert is‘ nich‘ hier.“
In dem Moment hörte man weiter hinten im Laden ein Rumpeln, hinter dem Vorhang, vor dem die Frau stand.
„Rattenprobleme?“, fragte Kimberly und blinzelte unschuldig.
„Bestimmt nich‘. Hier gibt’s keene Ratten, nich‘ bei uns.“
„Dann wird es wohl dieser Albert sein. Darf ich?“ Sie wollte sich an der Frau vorbeiquetschen, aber die stellte sich ihr in den Weg. Körperhitze und Schweißgeruch schlugen Kimberly entgegen.
„Vergiss es, Kleene.“
Kimberly verdrehte die Augen. „Jetzt reicht’s aber.“ Klirrend erschien der Säbel in ihrer Hand und richtete sich auf die Kehle der alten Frau. „Darf ich jetzt ? Bitte ?“
Die Frau kniff die Augen zusammen, murrte etwas vor sich hin und gab dann den Weg frei. Kimberly drängte an ihr vorbei und steuerte auf die kleine, schief eingehängte Tür im Flur hinter dem Perlenvorhang zu. Quietschend schwang sie auf,
Weitere Kostenlose Bücher