Wenn der Acker brennt
den letzten Jahren hatte Jeremias nicht oft an die Vergangenheit gedacht. Für ihn war alles wunderbar verlaufen, niemand hatte Zweifel geäußert, alle schienen den Ausgang der Geschichte akzeptiert zu haben. Aber diese Ruhe war nun bedroht. Manni Schwabe, Christine Weingard und Rick, drei Komponenten, die alles, was er erreicht hatte, zunichtemachen konnten.
Kurz darauf betrat er das Polizeirevier, das zwar im Anbau des Rathauses untergebracht war, aber einen eigenen Zugang im Hof besaß. Trotz der hohen Fenster war der Raum recht dunkel, da er um diese Uhrzeit im Schatten des Rathauses lag.
Drei Schreibtische, zwei gegenübergestellt, der dritte, Franz Burgers Arbeitsplatz, stand ein Stück abgerückt quer zu den anderen. Auf jedem Tisch ein Computer und ein Telefon, in den Regalen unzählige Aktenordner. Die beiden Ausnüchterungszellen, die nur während der Dorffeste ausgelastet waren, lagen im hinteren Teil des Reviers.
Hauptkommissar Burger, sechsundfünfzig Jahre alt, kräftig und groß, saß an seinem Tisch und schrieb. Gleichmäßig glitt der Kugelschreiber über das weiße Blatt.
Jeremias hatte es nie bereut, dass er ihm die Stelle in Sinach angeboten hatte. Burger besaß den richtigen Spürsinn, der einen guten Polizisten ausmachte, und er ließ sich nicht bestechen. Ehrliche Menschen mit festen Prinzipien waren berechenbar, eine wichtige Voraussetzung für jemanden, der an der Macht bleiben wollte.
»Hallo, Franz«, begrüßte Rimbar den Leiter des Sinacher Polizeireviers und nahm unaufgefordert auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz.
»Welche Ehre, der Herr Bürgermeister.« Burger sah kurz auf, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
»Gebt ihr die alten Berichte in den Computer ein?«, zeigte sich Jeremias interessiert an den angestaubten Polizeiakten, die sich auf den beiden anderen Schreibtischen stapelten.
»Wenn es sonst nichts zu tun gibt, dann beschäftigen wir uns mit den alten Fällen. Manche werfen immer noch Fragen auf, obwohl sie als abgeschlossen gelten.«
»Du hast aber nicht vor, jeden unaufgeklärten Diebstahl der letzten fünfzig Jahre neu aufzurollen, oder?«
»Alles, was mit den heutigen Möglichkeiten Aussicht auf Erfolg hat, ist eine Überprüfung wert.«
»Ich muss aber nicht befürchten, dass du bei deinem Engagement für die Vergangenheit keinen Kopf mehr für die Gegenwart hast?«
»Du kannst versichert sein, dass ich mir meine Arbeit einteilen kann. Aber manchmal eröffnet sich eine Spur von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, und dann wird es richtig spannend.« Als Franz Burger seinen Kugelschreiber zur Seite legte und sich aufrichtete, spannte das schwarz-grau karierte Hemd über seinem massigen Oberkörper. »Willst du etwas Bestimmtes von mir, Jeremias?«
»Warum tippst du deine Berichte nicht gleich in den Computer?«, ging der Bürgermeister nicht auf die Frage ein und schielte auf das Blatt, das vor dem Kommissar lag.
»Ich mache mir erst einige Notizen, bevor wir es eingeben.«
»Hast du noch immer Respekt vor der Technik?«
»Bist du etwa hier, um dich mit mir über mein Verhältnis zu Computern zu unterhalten?«
»Natürlich nicht, ich wollte nur mal sehen, wie es so geht. So ganz allgemein.«
»So ganz allgemein, aha.«
»Ein kleines Anliegen hätte ich allerdings schon. Die alten Akten haben mich darauf gebracht«, kam Jeremias nun auf den Grund seines Besuches zu sprechen.
»Auf was haben sie dich denn gebracht, die Akten?«, wollte Burger wissen und beobachtete die Reaktion seines Gegenübers.
»Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn auch ich mein Gedächtnis auffrische, was die Vorfälle in den letzten Jahren betrifft.«
»Das kannst du gern tun, viel Vergnügen.«
»Ich erwarte dabei ein wenig Unterstützung von deiner Seite.«
»Wenn du auf die Polizeiakten anspielst, du bist nicht berechtigt, sie einzusehen.«
»Es liegt in deinem Ermessen, Franz.«
»So ist es.« Und genau deshalb werde ich das auch gewiss nicht zulassen, dachte Burger. »Ich habe allerdings etwas, das ich dir zeigen möchte«, sagte er stattdessen, öffnete seine Schreibtischschublade und holte ein Fax heraus.
»Ich habe schon gehört, dass er wieder draußen ist«, entgegnete Jeremias und betrachtete das Bild von Manni Schwabe.
»Freilich hast du das. War es nicht der Freund deines Herrn Schwiegervaters, der als leitender Staatsanwalt den Fall bearbeitet hat?«
»Stimmt, aber inzwischen besetzt Barbaras Bruder diese Position.«
»Wie immer bleibt
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