Wenn der Acker brennt
Wahrheit, meinst du nicht auch?«
»Ich wäre nicht hier, wenn ich anderer Meinung wäre. – Alles in Ordnung?«, fragte Rick, als Denninger seine rechte Hand vom Lenkrad nahm und schüttelte.
»Nur das Alter. Die Gicht, sagt Gundi, aber keine Sorge, das Lenkrad kann ich schon noch halten. Für unseren Schützenverein käme ich allerdings nicht mehr in Frage.« Denninger schmunzelte, legte die Hand wieder auf das Steuer und drückte auf das Gaspedal.
Jeremias stand auf dem Balkon, der zu seinem Amtszimmer gehörte, und blickte auf den Wildbach, der hinter dem Rathaus durch ein breites Bett floss. Das Wasser bot um die Mittagszeit ein glitzerndes blau-weißes Farbenspiel, das allein einem einsamen Kanuten als Kulisse diente. Mit ruhigen Schlägen steuerte er sein Boot um die Steine und Felsen herum, die aus dem seichten Wasser herausragten. Jeremias liebte diesen Ausblick. Die Ursprünglichkeit der Natur ließ ihn eine unbändige Kraft empfinden, die ihn stets aufs Neue stärkte. Nach seiner Wahl in den Landtag würde er sicher nicht mehr so oft zu Hause sein. Er würde viel reisen, neben der Politik lukrative Geschäfte für Rimbar-Bau anstoßen. Finanziell hatte er zwar längst ausgesorgt, aber er konnte dem Reiz, allein durch die richtigen Beziehungen noch mehr Geld anzuhäufen, nicht widerstehen. Das Spiel mit der Macht war wundervoll.
Er hatte beobachtet, dass Christine und Rick zu Denninger in den Wagen gestiegen waren. Obwohl es ihm nicht gefiel, konnte er erst einmal nichts dagegen tun. Er musste abwarten, was weiter geschah. Vielleicht beschränkten sie sich auf eine kleine Plauderei bei Kaffee und Kuchen und gingen wieder auseinander. Vielleicht denke ich einfach nur viel zu weit, verdrängte er weitere nagende Fragen. Er legte sich in den Liegestuhl, der für seine Pausen auf dem Balkon stand, schaltete den CD -Player ein, der auf dem Marmortisch neben ihm lag, und setzte den Kopfhörer auf. Seine Gedanken schweiften ab zu Maria Borgrieder, dem wunderbaren engelhaften Wesen, das ihm so viel Freude bereitete. Er liebte seine Frau Barbara. Sie war eine elegante Erscheinung, schlank, groß, blond, braune Augen, aber sie besaß nicht annähernd die Leidenschaft, die Maria zu etwas Besonderem für ihn machte. Maria würde alles für ihn tun, das wusste er – und trotzdem vermisste er Barbara. Sie war seit drei Wochen zur Kur in Wörishofen, und es war an der Zeit, dass er sie mal wieder besuchte. Ja, das sollte ich unbedingt tun, nahm er sich vor, während er zu der Musik von Rachmaninow eindöste.
16
Seit vierundzwanzig Stunden war Manni Schwabe wieder ein freier Mann. Die letzten zehn Jahre hatte er damit verbracht, seine unglaubliche Wut in den Griff zu bekommen. Seine Wut auf die Menschen, die immer das goldene Ende im Leben erwischten. Bei ihm dagegen verwandelte sich alles, was er anfasste, in Dreck. All die Psychologen, die ihn beurteilen wollten, sie hatten das goldene Ende erwischt: guter Job, Geld und Familie. Selbstgerechte Idioten, die sich dazu berufen fühlten, ihm zu erklären, was in seinem Leben falsch gelaufen war. Menschen, die immer nur auf der Sonnenseite lebten, hatten keine Ahnung, was sich in der Realität wirklich abspielte. Er war im Dreck geboren, in der armseligen Behausung eines Knechtes und einer Magd, ohne eine echte Chance, wie er bald begriffen hatte.
»Bub, wir sind arm, aber ehrlich«, hatten seine Eltern ihm von klein auf eingetrichtert. Aber dann war ihm klar geworden, dass es unter den Wohlhabenden keine Ehrlichen gab. Nach einigen kleinen Überfällen schmiedete er den Plan für das ganz große Ding. Er hatte nie wirklich verstanden, was schiefgelaufen war. Der Plan war perfekt gewesen.
Judith hatte als Erntehelferin auf dem Denningerhof gearbeitet, weil sie auf der Suche nach einem Versteck für das Geld waren. Es musste einsam genug und doch auf direkter Strecke von München in sein Heimatdorf liegen. Nach einigen Vorschlägen, die sich als nicht praktikabel erwiesen, hatte Judith den Denningerhof als idealen Ort ausgemacht. Dort wollten sie das Geld deponieren, während Judith noch ein paar Wochen auf dem Hof arbeiten sollte, bis sich die Aufregung um den Raub gelegt hätte.
Sie hatte einen Tag freigenommen, um wandern zu gehen. Bei Sonnenaufgang war sie mit dem Rucksack, der für das Geld bestimmt war, in Richtung Sinacher Alm aufgebrochen. Er selbst und Achim hatten mit dem Wagen oben auf der Forststraße gewartet, um dann mit Judith zusammen nach München
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