Wenn der Acker brennt
zu fahren. Nach dem Überfall hätten sie Judith wieder im Wald abgesetzt, und sie wäre über die Sinacher Alm zurück zum Denningerhof marschiert. Wäre der Plan aufgegangen, wäre alles gut gewesen.
Zunächst lief auch alles reibungslos. Sie kannten die Route des Geldtransporters bis ins Detail. Achim hatte den Wärter rechtzeitig außer Gefecht gesetzt und die Bahnschranken heruntergelassen. Der Geldtransporter hielt an, sie sprengten die Tür, räumten den Wagen aus und packten das Geld in den Rucksack, den sie den Abhang neben der Straße hinunterrollen ließen. Judith hatte sich im Gebüsch versteckt und musste nur noch zupacken. Mit dem Rucksack wollte sie dann ein Stück durch den Wald laufen, bis sie sich an der Umgehungsstraße wiedergetroffen hätten.
Aber plötzlich kamen sie aus beiden Richtungen mit heulenden Sirenen angerast. Achim und er waren gezwungen, den Fahrer und Beifahrer des Geldtransporters als Schutzschilde zu benutzen. Als die beiden Männer sich wehrten, verloren Achim und er die Nerven und drückten ab. Bei der anschließenden Schießerei mit der Polizei zogen sie dann den Kürzeren. Sie wurden überwältigt, Judith entkam.
Zuvor hatte er ihr noch das Versprechen abverlangt, sich sofort zurückzuziehen, auch ohne das Geld, sollte sie wie auch immer in Gefahr geraten. Aber sie musste es geschafft haben. Das Geld war nie gefunden worden. Achim und er waren monatelang traktiert worden, endlich die Namen ihrer Mittäter preiszugeben. Die Beamten hatten ihnen sogar mildernde Umstände zugesichert, sollte die Beute mit ihrer Hilfe gefunden werden. Aber sie hielten dicht. Sie vertrauten Judith. Sie würde sie nicht hängen lassen, also hingen sie sie auch nicht hin. Doch Judith hatte nie wieder etwas von sich hören lassen.
Inzwischen war er davon überzeugt, dass jemand sie aus dem Weg geräumt hatte, um an das Geld zu kommen. Er war fest entschlossen herauszufinden, wer für Judiths Verschwinden verantwortlich war, und derjenige würde dafür bluten. Er wollte auch nach Achim suchen, der nach fünfzehn Jahren freigekommen und offensichtlich auf eine Spur von Judith gestoßen war. Ein paar Wochen nach seiner Entlassung hatte er ihm einen alten Zeitungsausschnitt über einen Scheunenbrand auf dem Denningerhof ins Gefängnis geschickt. Das Feuer hatte zwei Todesopfer gefordert. Handschriftlich hatte Achim vermerkt, dass er bald wieder von sich hören lassen würde, aber es war nichts mehr gekommen. Fünfzehn lange Jahre kein einziges Wort. Also hatte er auf eigene Faust über den Brand recherchiert und herausgefunden, dass eine unachtsam abgestellte Öllampe die Ursache für das Feuer gewesen war. Es hatte zwei Opfer gegeben: ein junges Mädchen aus dem Dorf und eine unbekannte Landstreicherin. Mehr hatte er nicht herausfinden können.
In den vielen Jahren seines Gefängnisaufenthaltes hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, die örtliche Presse zu studieren. Dabei stellte er fest, dass Jeremias Rimbar in eine Ölfirma investiert hatte und inzwischen über ein riesiges Vermögen verfügte. Er hatte in die Firma investiert, die er auch Judith und ihm als gute Anlagemöglichkeit empfahl, als sie ihm erzählten, dass sie bald über eine größere Summe verfügen würden, eine Erbschaft, wie sie vorgaben. Judith hatte Rimbar irgendwann zu einer Besprechung mit ihm und Achim mitgeschleppt, weil sie ihn für ausgesprochen geschäftstüchtig hielt und er sie beraten sollte. Er zweifelte schon lange nicht mehr daran, dass Sinachs heutiger Bürgermeister von dem geplanten Überfall gewusst hatte.
»Irgendjemanden werde ich schon zum Reden bringen«, murmelte er, schulterte seinen Rucksack und stieg in den Bus nach Sinach.
17
Der Denningerhof lag am Ortsrand von Sinach, an drei Seiten umgeben von Feldern mit hoch aufgeschossenem Weizen, im Rücken die Berge mit den dicht bewaldeten Hängen. Der weiße Putz des Hauses bröckelte schon, auf den vor langer Zeit einmal roten Schindeln wuchsen Gräser und Moos. Ein schwerer Holztisch, eine verwitterte Bank und ein alter Schaukelstuhl standen auf der Terrasse, die auf Bohlen erbaut worden war. Der Hohlraum unter den Dielen diente im Winter als Lagerplatz für das geschlagene Brennholz. Neben der Terrasse stand eine alte knorrige Weide, die bis zum späten Nachmittag Schatten spendete.
Denninger kam mit einer Kanne Kaffee, Tassen und einem Teller mit Schokoladenkeksen aus dem Haus. Er stellte alles auf den Tisch, bevor er sich in den Schaukelstuhl setzte,
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