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Wenn der Acker brennt

Wenn der Acker brennt

Titel: Wenn der Acker brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Maerker
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abwehren.
    »Es kam erst an dem Tag heraus, an dem Amata starb.«
    »Ich kann nicht mehr. Ich brauche eine Pause.« Rick fuhr hoch, sprang seitwärts über das Terrassengeländer und lief ein Stück den Weg entlang, der zu den Bergen hin anstieg.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Christine erschrocken.
    »Du wirst es gleich verstehen. Ein paar Tage vor dem Scheunenbrand fand Ricks Mutter ein Sparbuch im Schreibtisch ihres Mannes. Es war auf Amata ausgestellt. Am Nachmittag vor dem Scheunenbrand hat sie ihn zur Rede gestellt, und Leonhard hat es auch gleich zugegeben.«
    »Was hat er zugegeben?«
    »Dass Amata seine Tochter ist.«
    Christines Herz pochte bis zum Hals. Wenn das wahr war, dann war Amata nicht nur ihre, sondern auch Ricks Halbschwester gewesen.
    »Waren Ricks Eltern schon verheiratet, als meine Mutter von Leonhard Linden schwanger wurde?«
    »Schon ein Jahr lang. Deine Mutter wollte nicht, dass er sich von Marietta trennt, und er wollte seine Frau wohl auch nicht verlassen. So blieb die Sache zwischen ihnen eine heimliche Affäre, die nie ganz vorbeiging.«
    »Was ist passiert, nachdem Ricks Mutter von Amata erfahren hatte?«
    »Leonhard hat etwas sehr Dummes getan. Er hat Marietta gesagt, dass er Betti noch immer liebt und nichts bereut. Danach ist er ins Wirtshaus marschiert. Als er Stunden später zurückkam, lag Marietta schon bewusstlos in der Küche vorm Gasofen. Leonhard hat gemeint, der Ofen wäre vermutlich schon länger defekt gewesen, es hätte bloß keiner bemerkt. Aber das hat niemand wirklich geglaubt.«
    »Hat sie überlebt?«
    »Das schon, aber sie war zu lange bewusstlos. Die Marietta Linden, die wir alle kannten, gab es nicht mehr. Ihre Seele hatte sich in dieser Nacht verabschiedet. Sie hat nie wieder ein Wort gesprochen, ihre Augen waren für immer kalt und leblos.«
    »Rick gibt offensichtlich meiner Mutter die Schuld an diesem Unglück, und ehrlich gesagt, ich kann ihn verstehen.«
    »Ich glaube, er gibt jedem ein bisschen Schuld, auch Marietta, weil sie nur daran dachte, ihren eigenen Kummer zu vergessen, statt daran zu denken, dass er sie brauchte. Schau.« Denninger legte ihr die Fotografie eines Mädchens in den Schoß.
    »Amata?«
    »Du siehst ihr sehr ähnlich.«
    »Sie kommt genau wie ich nach unserer Mutter«, stimmte Christine ihm zu und betrachtete das Mädchen auf dem Foto. Amata trug eine Halskette mit einem blauen Stein, in den eine schneeweiße Edelweißblüte eingeschlossen war. Sogar die kleine Kerbe am Verschluss der Goldkette war zu erkennen. Ein kalter Schauer jagte Christine über den Rücken, als sie die Halskette, die sie in der Schatulle gefunden hatte, aus ihrer Umhängetasche nahm und mit ihrer Hand umschloss.
    »Ich bin froh, dass ich die Liebe wenigstens ein Mal erleben durfte, auch wenn Irma und ich nicht viel Zeit miteinander hatten«, murmelte Georg und rieb über das kleine goldene Kreuz in seinem linken Ohrläppchen. »Irma hat es mir geschenkt, als wir ein halbes Jahr zusammen waren. Es sollte mich immer beschützen«, verriet er Christine, als er sah, dass sie ihn beobachtete.
    »Nachdem, was ich gerade erfahren habe, sollte sich jeder vor der Liebe fürchten, statt sie herbeizusehnen.« Christine kramte in ihrer Tasche nach der angefangenen Packung Zigaretten, fand sie auch nach einer Weile und legte sie auf den Tisch. Nervös fischte sie eine Zigarette aus der zerknautschen Pappschachtel heraus und suchte nach ihrem Feuerzeug. Aber es war zu klein, um es auf Anhieb in dem Chaos der Tasche zu finden.
    »Hast du auch eine für mich?« Rick war zurück. Er hatte sich wieder gefangen.
    Christine reichte ihm das Päckchen, und er gab ihr Feuer. Sie sah zu, wie er sich an das Geländer lehnte und eine Zigarette anzündete. Er nahm einen tiefen Zug und beobachtete den Rauch, der vor ihm aufstieg, bevor er sich auflöste.
    »Warum wart ihr damals in der Scheune?«, fragte sie ihn.
    »Weil ich ein neugieriger kleiner Junge war.« Er malte mit der Fußspitze Kreise in den Sand und bedauerte wieder, dass er sich so genau an den Tag erinnern konnte.
    »Es war nicht deine Schuld«, mischte sich Georg Denninger ein, der ahnte, was Rick quälte.
    »Wirklich nicht? Wissen Sie denn nicht mehr, wie mich der Pfarrer und der Bürgermeister bei jeder Gelegenheit darauf hinwiesen, dass Gott bereit sei, mir die schweren Sünden zu verzeihen, die ich auf mich geladen habe? Ich sollte nur jeden Sonntag schön brav in die Kirche gehen. Aber Gott hat mir nicht vergeben, sondern

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