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Wenn der Acker brennt

Wenn der Acker brennt

Titel: Wenn der Acker brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Maerker
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Meter neben sich den Hang hinunter konnte er einen mit dichten Sträuchern bewachsenen Felsvorsprung erkennen. Zehn Meter waren keine allzu große Höhe. Der beste Weitspringer schaffte über acht Meter, der beste Stabhochspringer mehr als sechs, aber er würde noch nicht einmal springen müssen, sondern sich einfach fallen lassen.
    »Deine Zeit ist vorbei! Zu dumm, dass auch du dem unbekannten Killer vom Denningerhof zum Opfer fallen wirst.« Um Christine einzuschüchtern, feuerte Jeremias einen Schuss in ihre Richtung ab.
    »Hör mir zu, Jeremias! Verdammt noch mal, hör mir zu!«, versuchte Rick die Aufmerksamkeit seines Peinigers auf sich zu lenken. Aber Jeremias schien die Geduld auszugehen, er hatte sich nicht mehr in der Gewalt und handelte unüberlegt. Das machte ihn unberechenbar.
    »Klappe!« Jeremias holte erneut aus und trat so heftig zu, dass Rick vor Schmerz der Schweiß auf die Stirn trat.
    »Ich muss dir noch etwas sagen!«, versuchte Rick zu ihm durchzudringen.
    »Ich will nichts hören!« Er stellte sich mit einem Bein auf Ricks Unterschenkel, mit dem anderen trat er zu, gegen seine Nieren, seine Arme, seine Brust.
    Instinktiv spannte Rick die Muskeln an, um seine Knochen zu schützen. Er hob die Arme, damit sein Kopf kein leichtes Ziel bot, aber schließlich wurde ihm doch schwarz vor Augen. Er kämpfte dagegen an, richtete sich trotz der Pistole, mit der Jeremias auf ihn zielte, auf, aber das hatte nur zur Folge, dass dieser gar nicht mehr von ihm abließ. Er war berauscht von seiner eigenen Wut, von der Gewalt, die von ihm ausging.
    »Lauf weg, Christine, leg dich nicht mit ihm an!«, schrie Rick, als er kurz zur Besinnung kam und Jeremias wieder in ihre Richtung feuerte, um sie fernzuhalten.
    »So weit kann sie gar nicht laufen, dass ich sie nicht mehr kriege. Erspare uns dein sinnloses Gequatsche.«
    »Jeremias –«
    »Sei still, ich habe dich so satt, Linden. Diese ständige Bedrohung durch dich muss endlich vorbei sein. Schöne Grüße an Amata!« Diesmal trat er so fest zu, dass Rick sich nicht mehr halten konnte. Widerstandslos rutschte er die paar Meter zum Abhang, dann fiel er.
    Seine Angst war verschwunden. Sein Leben spulte sich wie ein Film rückwärts vor seinem inneren Auge ab. Er begann mit dem Sturz den Abhang hinab, dann flackerten wie Blitzlichter die für ihn wichtigen Stationen seines Lebens auf. Seine Auftritte, Johann, die Toskana, der Brand auf dem Denningerhof, Amata, die Klavierstunden bei Irma. Er spielte auf der Wiese vor dem Lindenhof, lag in einer Wiege und verlor sich schließlich in einem hellen türkisfarbenen Licht.
    Als Jeremias über den Abgrund schaute, sah er Rick regungslos auf einem von Kiefernbüschen bewachsenen Felsvorsprung liegen. »Ruhe in Frieden«, murmelte er, hob eine Hand voll Kieselsteine auf und ließ sie in die Tiefe rieseln. »Sie können sich nun von ihm verabschieden, Christine!«, rief er und wandte sich ihr zu.
    Sie stand nicht weit von ihm entfernt und sah über den Abgrund hinweg. Als sie aufschaute, konnte er die Tränen in ihren Augen sehen. Plötzlich machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte bergab in den Wald zurück.
    »Verfluchte Scheiße!«, brüllte er, als er ihr nachjagen wollte, aber seine Knie einfach wegsackten. Mühsam stützte er sich auf einen Felsen. Das Adrenalin, das durch seine Adern pumpte, als er Rick erledigte, hatte ihn seine verletzten Knie vergessen lassen. Nun war der Schmerz zurückgekehrt. Widerwillig musste er sich damit abfinden, der kleinen Weingard nicht gleich folgen zu können. Egal, er würde sie schon einholen, schließlich kannte er jede Abkürzung hinunter ins Tal. Er musste nur ein paar Minuten Kraft schöpfen.
    Bevor er sich aufmachte, ließ er seinen Blick über die Gipfel schweifen. Er liebte die Berge, ihr Anblick würde ihm die innere Ruhe wiedergeben. Als er gegen die Sonne blinzelte, glaubte er, eine leblose Gestalt an einem Gipfelkreuz baumeln zu sehen. Die Gestalt sah aus wie Karl Borgrieder.

33
    Schon eine halbe Stunde war Christine durch den Wald gelaufen. Immer wieder blieb sie stehen und horchte auf die Geräusche, die zu ihr durchdrangen. Das Klopfen eines Spechts, das Rascheln des Laubes, Äste, die im Wind gegeneinanderschlugen. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, sie hatte nicht auf den Weg geachtet. Sie lief einfach bergab, weil sie hoffte, irgendwann auf eine Straße zu treffen, die es ihr erlaubte, sich zu orientieren. Sie musste ins Dorf zurück, sich Amatas Ring sichern

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