Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Acker brennt

Wenn der Acker brennt

Titel: Wenn der Acker brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Maerker
Vom Netzwerk:
oder einem Felsen Zuflucht zu suchen. Sobald der Wald lichter wurde, blickte Rimbar sich ständig nach hinten um, und sie rechnete damit, dass er sie jeden Moment entdeckte.
    Das Donnern des Wasserfalls war leiser geworden, sie entfernten sich allmählich von der Klamm. Die beiden Männer stiegen über Wurzeln umgestürzter Bäume und über wirres Gestrüpp weiter bergauf. Christine hatte keine Ahnung, wie lange sie den beiden schon folgte oder wohin Rimbar wollte.
    Irgendwann traten sie unter den dichten Bäumen hervor, und auch Christine gelangte wenig später an dieselbe Stelle. Es war ein atemberaubender Anblick, der sich ihr bot. Zugspitze, Alpspitze, Hochwanner und Teufelsgrat, die höchsten Erhebungen des Wettersteins, strahlend weiße Gipfel, die sich gegen den stahlblauen Himmel abhoben.
    Nach einem kurzen andächtigen Moment ging sie weiter. Der Weg, den Rimbar verfolgte, wurde stetig steiler. Bald schon gab es nur noch Felsen und niedrige Büsche, die ihr Deckung boten, aber sie kehrte nicht um. Sie war fest entschlossen, Jeremias Rimbar zu besiegen.

32
    »Was ist? Geh weiter!«, rief Jeremias, als Rick abrupt stehen blieb.
    »Gleich, nur einen Augenblick, bitte.« Rick atmete betont schwer. Er hatte bemerkt, dass Christine ihnen folgte. Ihr rotes Mieder hatte sie verraten, als sie sich hinter einem Busch verbergen wollte. Er war nicht sicher, ob auch Jeremias sie gesehen hatte, aber so wachsam, wie er sich verhielt, musste er davon ausgehen.
    »Weiter!«, befahl der Bürgermeister.
    Rick widersetzte sich nicht länger. Noch sah er keine Möglichkeit, Jeremias zu entkommen. Es wäre sinnlos, seine Energie für einen Fluchtversuch ohne Erfolgsaussichten zu verschwenden.
    Als sich der Weg wie ein Pfeil über die Steilwand hinauf zum Gipfel zog, schien Jeremias am Ziel zu sein. Karwendel und Wetterstein im Süden, im Tal türkisfarbene Seen, umgeben von Sommerwiesen, das war also die Kulisse für den letzten Moment seines Lebens. Solange Jeremias hinter ihm stand, hatte Rick keine Möglichkeit, diesen Moment hinauszuzögern oder ihm zu entkommen. Er musste sich erst in eine bessere Position bringen.
    Eine Flucht über die Steilwand war unmöglich. Ohne Seil würde er in den Tod stürzen. Die Westwand dagegen bot sich als Ausweg schon eher an. Sie war flacher, mit buschigen Kiefersträuchern bewachsen und mehreren Felsvorsprüngen, die einen Fall möglicherweise abbremsen würden.
    »Achim Müllers Hoffnung, seine Wanderung mit mir unbeschadet zu überstehen, war auch vergeblich.« Jeremias ahnte, dass Rick nach einem Rettungsanker in der Steilwand suchte.
    »Schwabes Freund, der vor fünfzehn Jahren entlassen wurde? War er der Bergsteiger, den du angeblich retten wolltest?«
    »Er hätte nur einen Bogen um Sinach machen müssen, um den Rest seines Lebens in Frieden zu verbringen. Genau wie du und die kleine Weingard. Stattdessen zwingt ihr mich, etwas zu tun, was mir wirklich nahegeht. Ich wünschte, ich könnte wenigstens an Bettis Tochter eine partielle Gedächtnislöschung vornehmen, um sie aus dem Kreis der Mitwisser auszuschließen«, spielte Rimbar den Verzweifelten, den die Umstände zum Morden zwangen. »Vielleicht sollten wir es versuchen. Ich habe da mal einen Film gesehen, ›Men in Black‹, da klappte das mit der Gedächtnislöschung ganz wunderbar. – Kommen Sie, Christine, probieren wir es aus!«, rief er, drehte sich um und starrte auf die kleine Kiefer, hinter der sie sich verbarg.
    Auf den Moment hatte Rick gewartet. Er bückte sich, umfasste den schweren Ast, den er zuvor auf dem Boden ausgemacht hatte, holte aus und schlug ihn mit voller Wucht gegen Jeremias’ Kniescheiben. Der Schlag nahm dem sonst so toughen Mann die Luft. Es dauerte einen Moment, bis er laut aufschrie und schließlich zusammensackte. Rick rannte sofort los.
    »Vergiss es!«, brüllte Jeremias, der auf dem Boden lag und seine Pistole noch immer umschlossen hielt. Er ignorierte das Pochen in seinen Knien, drehte sich auf den Bauch und spannte den Hahn.
    Ein dumpfer Knall fing sich als Echo zwischen den Gipfeln, gleichzeitig spürte Rick einen Stich an seinem linken Knöchel, der ihn sofort zu Boden warf.
    Jeremias hatte sich erholt. Er war schon wieder aufgesprungen. Nur ein paar Schritte, dann baute er sich breitbeinig über Rick auf. »Gib auf, Linden«, sagte er und trat ihm mit der Spitze seines Stiefels in die Seite.
    Rick zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Er durfte den Schmerz nicht zulassen. Ungefähr zehn

Weitere Kostenlose Bücher