Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
Stereoanlage ebenso gut im Keller aufstellen!«
»Im K – aah – haa«. Sie ringt mit aufgerissenem Mund nach Luft. Diskretion und Schamgefühl verbieten mir mitzuteilen, was sie, als sie wieder Luft hat, zu mir und über mich äußert.
Ich laß mich nicht beirren, ich lebe weiter im Keller. Schröder erscheint jeden Nachmittag. Wir kommen voran. Der Endspurt allerdings erweist sich als besonders schwierig. »Sie müssen alle elektrischen Verbindungen von unten her löten«, sagt er fachmännisch, während er das Häuschen mit dem Brunnen in den Berg sägt.
»Von unten? Da seh ich doch nix, da is es finster –.«
»Schreibtischlampe –.«
Gut, ich hole sie, und löte, verkrümmt und eingezwängt, nach oben. Da heißes Lötzinn sich aber an die Gesetze der Schwerkraft hält, tropft es ständig abwärts, und da liege doch ich schon. »Au – pf – ah – oh!« ist alles, was ich sagen kann, denn heißes Lötzinn ist äußerst schmerzhaft. Zudem verursacht es Brandlöcher.
»Mein Anzug –.«
»Weil Sie falsch liegen. Sie müssen seitlich –.«
Gut, lieg ich seitlich – aber trotzdem nimmt der Anzug im Nu Siebcharakter an und die Durchschläge auf der Haut – auu –, kann ich nur sagen!
»Brandsalbe«, meint der Chef ungerührt. »Zweimal stündlich, da tuts nicht so weh und hinterläßt keine Narben.«
Während er versucht, die Brunnenpumpe in Gang zu bringen, hole ich Brandsalbe aus der Apotheke. Beim Weiterlöten erkenne ich, am 20. Dezember, daß das glühende Getropf mir Gesicht und Augen gefährdet. Ich brauch eine Schutzmaske, wie sie Stahlarbeiter an Hochöfen tragen. Nur welches Geschäft führt sowas? Der dreiviertelte Einundzwanzigste geht mit Herumfragen nach dem verdammten Ding drauf, bis mir die Autoschlosserei nebenan nachsichtig mitteilt, sowas hätten sie natürlich zum Schweißen, und es mir gnädig leiht, weil, wie der Meister sagt, so kurz vor Weihnachten eh kein Schwein mehr arbeitet.
Am 22. früh verkleide ich mich als Stahlarbeiter, lege Pappe zur Schonung über die Brust, setz eine alte Mütze und die Maske auf, will löten – und bin blind. Alles ist finster, weil die Maske ein dunkelblaues augenschonendes Glas gegen die Schweißflamme hat. Also, alles wieder abbauen – raufgehen.
Da ist Ellen grad am Telefon. Der Kühlmeier ruft an, wie es mir geht, weil man so gar nichts von mir hört.
»Sehr sehr schlecht«, sagt sie mit Trauerstimme, »Sie können gar nicht mit ihm sprechen. Man darf ihn nicht anreden«, hängt ein, dreht sich um, erblickt einen Stahlarbeiter vom Hochofen, und stößt einen schrillen Schrei aus.
»Pscht«, sag ich. »Ich brauch rasch alle tragbaren Lampen aus dem Haus, mit Hunderterbirnen drin.«
Sie weint ein bißchen, während sie sie zusammensucht. Ich mache mit der achten hell und kann nun wenigstens ahnen, wohin ich löte.
Am Nachmittag, als ich zum Mittagessen raufkomm, zieht sie den Dominik von mir weg.
»Laß den Papi bloß in Ruhe. Er hat Sorgen und Streß.«
»Mag an Bahnhof gehn, zun Onkel Rankschierer. Gehst mit, Mami?«
»Ja, mein Liebling. Gern geh ich mit Dir aus dem Haus.« Ich weiß inzwischen, die zwei gehen da öfter hin. Der Bub kennt da nicht nur einen Rangierer, sondern auch einen Fahrdienstleiter. Die lassen ihn ein bissel rumturnen und schauen. Also sage ich nichts, denn ich weiß ja, daß das feindselige Schweigen bald unendlichem Jubel weichen wird, und arbeite mit Schröder weiter, die ganze Nacht! Als ich am Dreiundzwanzigsten aus einem Dreistundenschlaf erwache, ist Ehekrise. Ellen weigert sich, den Baum, den sie besorgt hat, unten aufzustellen und den Kellergang weihnachtlich zu schmücken.
»Das ist doch poetisch«, brüll ich. »Lichterglanz in einer Katakombe.«
»Das ist bloß idiotisch«, kreischt sie. »Und typisch Mann!«
Die Schreierei endet damit, daß ich lossause, einen zweiten Baum samt Schmuck und Kerzen besorge und den Kellergang so wunderschön dekoriere, wie ich es mir vorstelle. Gibt‘s eben zweimal Weihnachten, oben und unten ! Und wenn sie platzt! Werden ja sehen, was dem Dominik besser gefallt! Herrje!
Abends ist Generalprobe. Schröder und ich schalten vorsichtig alles nacheinander ein, programmieren digital drei Züge: Eine 103er-Lok der Bundesbahn mit vier Waggons, Speise- und Schlafwagen, einen Schweizer Trans-Europ-Expreß 3071 auf der Bergstrecke und einen Güterzug hinter einer 120er mit sage und schreibe acht Wagen, darunter einen Kühl-, einen Bier-, einen Kessel- und einen
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