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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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und steigt die Treppe hinauf.
    Wir blicken ihr nach, dann einander an, jeder will es sagen, keiner traut sich, aber dann sag ich es:
    »Da könnten wir – doch noch – ein Stündchen – hm?«
    Und schon sind wir auf dem Weg zurück in den Keller.
    Rückblickend betrachtet wurde es dann tatsächlich noch eine recht, nein, eine sehr schöne Christnacht – für uns Herren.

FRIEDRICH TORBERG: Kulinarisches Zwischenspiel
    FRIEDRICH TORBERG

    Kulinarisches Zwischenspiel

    Der Komiker Armin Berg stammte, gleich etlichen anderen Sternen des Wiener Theater- und Cabarethimmels, aus Brünn (»aus bei Brünn«, wie sein Kollege Fritz Grünbaum in echtbürtiger Brünner Arroganz zu beharren liebte), und er genoß allüberall, wo im einstmals habsburgischen Bereich die von ihm gepflegte Abart der deutschen Sprache verstanden wurde, höchste Popularität. Vielleicht wird mir noch eine spätere Gelegenheit vergönnt sein, ihn und seine Artverwandten gebührlich zu würdigen; hier komme ich nur am Rande, an seinem Rande, auf ihn zu sprechen. In kulinarischer Hinsicht nämlich (er war mit einer Französin verheiratet) kam dem Hause Berg, das in der sozialen Hierarchie wohl näher zu Taussig als zu Löwenthal lag, allererster Rang zu – freilich nur an einem einzigen Tag im Jahr und freilich mit auswärtiger Unterstützung. Das will erläutert sein.
    Was den Tag betrifft, so war es der 24. Dezember, genauer: der Abend dieses Tages, der Weihnachtsabend, an dem Theater und Vergnügungsstätten jeder Art geschlossen blieben und den die Angehörigen der Gauklerzunft, weil es ihr einziger freier Abend war, zugleich als vorweggenommenen Silvester feierten. In der wirklichen Silvesternacht gab es für sie nichts zu feiern; da mußten sie, die meisten sogar an mehreren Stellen, auftreten. Und so hatte sich allmählich die Tradition entwickelt, daß der Heilige Abend, ohne dadurch geradewegs entheiligt zu werden, vor allem als einmaliger Anlaß zu sonst kaum durchführbaren Zusammenkünften und Gastereien wahrgenommen wurde.
    Der üppigsten eine, wo nicht die üppigste, fand alljährlich im Hause Berg statt, und zwar unter kolossalem Andrang, nicht nur weil Armin Berg sich auch unter seinen Kollegen ungewöhnlicher Sympathie erfreute, sondern eben jener Unterstützung wegen, die er von auswärts angefordert hatte: eigens für diesen Abend kamen aus Brünn seine Schwestern herbeigeeilt, drei an der Zahl, von kleinem, stämmigem Wuchs und weithin berühmt für ihre Kochkunst, die sie einem gemeinsam geführten Restaurant zugute kommen ließen, einem der beliebtesten in Mährens freßfreudiger Hauptstadt. Der Volksmund nannte es – in Anlehnung an das Wiener Nobelrestaurant »Zu den drei Husaren« und in Ansehung der besonders ausgeprägten Gesäßpartien seiner Besitzerinnen – »Zu den sechs Arschbacken«, und manch ein Gourmet soll um ihretwillen ernsthaft erwogen haben, nach Brünn zu übersiedeln. Am Weihnachtsabend aber kamen sie selbst, kochten Köstlichkeiten über Köstlichkeiten, verließen die Küche nur, um aufzutischen oder abzuräumen, und zeigten sich der Flut der Gäste mit bewundernswerter Umsicht gewachsen.
    Die Flut rollte in drei großen Wogen heran, deren erste, aus einem Halbdutzend namentlich Geladener bestehend, bereits um acht Uhr zum richtigen Abendessen erschien. Etwa zwei Stunden später begannen alle jene einzutreffen, die entweder – was zumal für Ehepaare mit Kindern zutraf – im eigenen Heim Bescherung und Schmaus veranstaltet hatten oder zuvor einer anderen Einladung gefolgt waren. Ihr Strom wurde allmählich dünner, erhielt jedoch gegen Mitternacht durch die dritte Woge kompakten Auftrieb, ja selbst zu noch späterer Stunde wurden vereinzelte Neuankömmlinge registriert. Und während dieser ganzen Zeit, also von acht Uhr abends bis in den frühen Morgen, sorgten die emsigen Schwestern fast pausenlos für immer neue Verköstigung, schleppten bald einen riesigen Topf mit Erbsensuppe herbei, bald einen ebensolchen mit Gulasch, bereicherten zwischendurch das ohnehin schon überreiche Angebot mit heißen Würsteln oder kalten Platten, mit kunstvoll gefüllten Eiern oder raffiniert zusammengestellten Salaten, und ruheten nimmer.
    Mir selbst wurde an einem 24. Dezember der frühen Dreißigerjahre die Gunst zuteil, dem auserwählten Kreis der schon für acht Uhr Eingeladenen anzugehören, sowie das Glück, daß ich neben einen alten Nachtmahl-Routinier zu sitzen kam, der mir jedesmal, wenn ich einen Gang (oder

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