Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
auch noch abrutscht.«
August warf sich direkt am Abbruch auf den Boden und streckte ihm seine Hand entgegen. Es fehlte gut eine halbe Armlänge. » Wir bräuchten ein Seil. Oder einen Ast. Aber etwas Stabiles!« Verzweifelt sah er sich nach etwas Brauchbarem um.
» Deine Hose!«
August brauchte ein paar Sekunden, bis er verstand, was Koar meinte. Dann setzte er sich auf den Boden, riss sich die Stiefel von den Füßen und zog seine Hose aus festem Baumwollköper aus. Unter normalen Umständen hätte Dorothea sich köstlich über den Anblick amüsiert: August in Hemd und Socken wie ein Kleinkind. Jetzt aber achtete weder sie noch einer der anderen darauf. Erneut legte ihr Bruder sich auf den Bauch und schob sich so nah es ging an die Abbruchkante heran. » Kannst du sie greifen?« Etwas ungeschickt schwang er die Hose so lange hin und her, bis es Karl gelang, erst eines und gleich darauf auch das zweite der Hosenbeine zu packen. » Ich hab sie!«
» Wickle sie dir einmal um die Handgelenke«, wies Koar ihn an. » Du darfst auf keinen Fall loslassen! Und bleib ganz ruhig: Wir ziehen dich jetzt langsam heraus.«
Koar und August stemmten die Fersen in den harten Lehmboden und begannen zu ziehen. Der Schlamm schmatzte mehrmals wie ein großes Tier, das unwillig ist, seine Beute wieder auszuspucken, ehe er Karl aus seinen Untiefen freizugeben begann. Fingerbreite um Fingerbreite zogen sie ihn aus der schwarzen Masse. Karl war ein schlanker Junge, aber die klebrige Masse des Schlamms, in dem er feststeckte, vervielfachte sein Gewicht.
Als er endlich mit einem letzten, lauten Schmatzen freikam, lief August und Koar der Schweiß übers Gesicht. Nachdem sie ihn über die Kante gehievt hatten, ließen sie sich vor Erschöpfung auf den Rücken fallen und keuchten nur noch.
Vor Erleichterung über den glücklichen Ausgang hätte Dorothea in Tränen ausbrechen können. Stattdessen stürzte sie auf Karl zu und schüttelte ihn wie einen jungen Hund. » Weißt du überhaupt, welche Sorgen du Mama und Papa bereitet hast? Wie konntest du nur so leichtsinnig sein?«, schrie sie ihn an, nur um im nächsten Moment die Arme um ihn zu schlingen und ihn an sich zu pressen. Wieso war ihr erst in diesen Momenten höchster Gefahr klar geworden, wie sehr sie an ihrem Bruder hing?
» Es war ein Unfall«, verteidigte der sich schwach. » Ich war wirklich nicht leichtsinnig. Dieses verdammte Schlammloch war einfach nicht zu sehen.«
» Lass ihn!«, sagte Koar ruhig und richtete sich langsam auf. » Es war ihm so vorherbestimmt. Solche Ereignisse kann man nicht ändern.« Seine dunklen Augen ruhten mit fast ungläubigem Staunen auf Karls mitgenommener Erscheinung. » Der weise Tenberry hat es vorhergesagt, und es ist genau so eingetroffen.«
» Behaupte jetzt bitte nicht, dein Ahne hätte prophezeit, dass Karl in ein Schlammloch fällt!«, schnaubte Dorothea. » Das glaube ich einfach nicht.«
Im Mondlicht, das inzwischen schräg durch die Büsche fiel, blitzten Koars Zähne, als er lächelte. » Nein, natürlich nicht«, gab er mit leichter Ungeduld zurück. » So funktionieren Voraussagen nicht.«
» Wie dann?« Augusts Atem hatte sich wieder normalisiert, und er musterte den jungen Aborigine mit Interesse.
» Tenberry träumte von einem weißen Stern, der auf die Erde herniederfiel und in unserem Lagerfeuer verglühte. Am nächsten Morgen lag dort ein Kind mit heller Haut und einem sternförmigen Mal auf der Brust. Dieses Kind fühlte sich einsam und war unglücklich, weil niemand etwas mit einem Unglücksbringer zu tun haben wollte. Eines Nachts stieg es deswegen auf zum Wodliparri, das ist dort.« Koar legte den Kopf in den Nacken und zeigte auf das helle Bild der Milchstraße über ihnen am Nachthimmel. » Im Wodliparri, an dessen schilfbewachsenen Ufern die Ahnengeister hausen, fand er in einem der Löcher von Jura, dem Wasserungeheuer, einen Bruder.«
» Eine tolle Geschichte«, sagte August verständnislos. » Aber was hat sie mit dir zu tun?«
» Sie ist der Grund dafür, dass ich lebe«, erwiderte Koar schlicht.
» Wie bitte?«
» Als ich geboren wurde, war meine Haut so hell, dass meine Familie mich töten wollte.– Kinder mit ungewöhnlich heller Haut bringen Unglück«, fügte er hinzu. » Aber Tenberry entdeckte zufällig das Mal auf meiner Brust und verbot es ihnen. Ich sei ein Kind, das den Geistern gehörte. Niemand wollte die Geister erzürnen, aber ebenso wenig wollte jemand mich aufziehen. Also nahm Tenberry
Weitere Kostenlose Bücher