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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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mich daran erinnert, als ich ein Gefangener meines Bruders und dieses Professors Ambeus/Baumes war.
    Oder doch nicht? Erlebte ich es gerade erst? Hatten die chirurgischen Eingriffe des Professors in mein Gehirn dazu geführt, dass Vergangenheit und Gegenwart für mich verschmolzen?
    Ich versuchte, mich an jene Nacht zu erinnern, als ich Knaup vor der Pension in die Falle gegangen war. Sie hatten mich in den Lieferwagen geschleppt. Sein Innenraum hatte exakt so ausgesehen wie der, in dem ich jetzt lag. Und doch, etwas war anders!
    Ich konnte mich an keine Handschellen erinnern. Nur an eine Injektion, die mir das Bewusstsein nahm. Von da an war es dunkel in mir bis zu jenem Augenblick, als ich in der alten Klinik in der Uckermark wieder zu – einem reichlich lädierten – Bewusstsein kam.
    Wie eine Schlange kroch ich zu der glatten Wand, die den Frachtraum vom Fahrerhaus trennte, und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Die drei anderen betrachteten meine Bemühungen teils amüsiert, teils gelangweilt. Ich kannte nur Knaup und schloss daraus, dass seine Begleiter nicht zur SGB gehörten.
    Einer sah aus wie ein Schweinehälftenträger aus dem Schlachthaus: Massig, breitschultrig und mit dem ausgeprägtesten Stiernacken, der mir je untergekommen war. Sein fleischiges Gesicht dehnte sich mächtig in die Breite, und die SIG-Sauer wirkte in seinen Wurstfingern wie eine Spielzeugpistole. Er schien vollkommen desinteressiert, auch wenn unsere Blicke sich kreuzten. Wahrscheinlich hätte er mich auf einen Wink Knaups mit demselben gleichgültigen Gesichtsausdruck über den Haufen geschossen.
    Gegen ihn wirkte sein Nachbar, obwohl ebenfalls von kräftiger Statur, wie ein Hänfling. Der Mann mit dem knochigen Gesicht und der stark vorgewölbten Stirn schien nervös. Seine Augen huschten rastlos umher, und wenn er nicht gerade auf seine Armbanduhr sah, fingerte er an der SIG-Sauer herum.
    Ich sah Knaup an und fragte matt: »Wohin geht die Reise?«
    Er bleckte die Zähne wie in der Zahnpastawerbung. »Überraschungen sind das Salz des Lebens!«
    Mehr sprachen wir nicht, und ich lauschte den Straßengeräusehen, die hier drinnen stark gedämpft zu vernehmen waren. Die Fahrt wurde ruhiger, der Motorenlärm anderer Fahrzeuge nahm ab.
    Irgendwann hielt der Lieferwagen an, der Motor erstarb mit einem leisen Husten, und der Stiernackige öffnete die Hintertür. Ich blickte auf einen tristen Innenhof: Graue Mauern, verblassende Parkplatzmarkierungen, ein überquellender Müllcontainer und um ihn herum jede Menge Unrat. Draußen war es hell, fast sonnig. Der Stiernackige und sein nervöser Begleiter stiegen aus.
    »Ende der ersten Etappe«, verkündete Knaup. »Raus hier, Arved!«
    »Wie denn?« Ich starrte auf die gefesselten Füße. »Soll ich hüpfen wie ein Känguru?«
    »Das wäre ein hübsches Bild, aber mir fehlt die Zeit, es zu betrachten.«
    Er zog einen kleinen Metallschlüssel aus einer Hosentasche und beugte sich über meine Füße. In dem Moment, als er die dünnen, aber festen Ringe von meinen Fußgelenken nahm, trat ich zu. Mein rechter Fuß traf ihn mitten ins Gesicht. Ich hörte ihn stöhnen und er fiel aus dem Wagen.
    So schnell, wie es mir mit den rücklings gefesselten Händen nur möglich war, sprang auch ich nach draußen und prallte mit voller Absicht gegen den Stiernackigen. Das federte meinen ungelenken Sprung ab und brachte mein Gegenüber ins Taumeln. Der Koloss machte zwei, drei ungelenke Schritte nach hinten und ruderte Halt suchend mit den Armen, was ihn hinderte, seine Automatik einzusetzen.
    Knaup lag noch am Boden und keuchte. Der Nervöse hatte sich über ihn gebeugt, richtete sich jetzt aber auf und wollte mit der SIG-Sauer auf mich anlegen.
    Knaup richtete sich kniend auf und zog den Waffenarm des anderen nach unten. »Nicht schießen, Idiot! Wir brauchen ihn noch.«
    Ich lief zwischen dem Lieferwagen und einer hohen Mauer entlang tiefer in das Gewirr des verschachtelten Hinterhofs hinein. Weg von Knaup und seinen beiden Gorillas, lautete die Devise!
    Dicht vor mir wurde die Fahrertür des Wagens aufgestoßen. Ich konnte nicht mehr ausweichen. Mit der rechten Schulter stieß ich hart gegen die Tür und geriet ins Taumeln. Der Fahrer kam über mich und schlug mir mit einem harten Gegenstand auf den Kopf. Eine Sekunde später sackte ich, von Schmerz und Übelkeit erfüllt, auf die Knie.
    Der Fahrer drückte den Lauf seiner Automatik gegen meine Stirn, und von hinten hörte ich Knaup rufen: »Bleib so,

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