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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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es einen Dr. Amberg, Gynäkologe, in Hamburg einen Dr. Amberger, Hals, Nasen, Ohren, in München einen Dr. Ambrassat, der sogar ein Psychofritze ist. Und so weiter, aber nichts mit Ambeus. Vermutlich ein falscher Name, getürkt wie alles in dieser vorgeblichen Klinik.«
    »Und die Klinik selbst?«
    »Die Klinik war keine Klinik und hatte keinen Namen.«
    »Aber du weißt wenigstens ungefähr, wo sie steht.«
    »Ich habe es mit Wolfshagen und allen südlichen Ortschaften versucht, aber es hat nichts gebracht. Ich habe nach Kliniken und Sanatorien geforscht, auch nach stillgelegten Einrichtungen. Aber nichts hat gepasst.«
    Max sah mich mitfühlend an. »Also Rückzug auf der ganzen Linie?«
    Ich zog den Notizblock aus der Hemdtasche, legte ihn auf den Tisch und starrte auf meine Aufzeichnungen. »Bis auf das hier, aber es verwirrt mich eher als dass es mich weiterbringt.«
    »Worüber hast du dir Notizen gemacht?«
    »Über den Golem.«
    »Über was?«
    »Habe ich dir nicht erzählt, was der Wächter ins Walkie-Talkie gesagt hat, bevor er starb?«
    »Welcher Wächter?«
    »Der, den ich im Klinikgebäude erschießen musste. Wulf.«
    »Ich wusste nicht, dass er noch etwas gesagt hat.«
    »Doch, hat er. Es war eine Warnung an seine Kameraden: ›Der Golem – er haut ab!‹ Das waren seine Worte.«
    »Warum hast du das bisher nicht erwähnt?«
    »Ich hatte es in all der Aufregung fast vergessen.« Ich lächelte und es wirkte wohl etwas gezwungen. »Zur Abwechslung mal etwas, das ich nur fast vergessen hatte. Heute Abend erinnerte ich mich daran und ich fütterte mehrere Suchmaschinen mit dem Begriff ›Golem‹.«
    »Offenbar mit Erfolg«, sagte Max mit Blick auf meine Notizen.
    »Im Internet hat man immer mehr Erfolg, als man möchte, wenn man irgendetwas sucht. Es ist nicht so schwierig, Informationen zu einem Thema zu finden. Viel schwieriger ist es, unbrauchbare Informationen auszusondern. Allein bei der ersten Suchmaschine hatte ich fast zehntausend Einträge, von einer Computernachrichten-Firma namens ›Golem Network News‹ und einer ›Golem Computer Vertriebs-GmbH‹ bis zu ›Golem – die magisch-okkulte Zeitschrift des neuen Äons‹ und ›Golem Bettwäsche, Decken, Bettüberwurf, Tagesdecken, Textilien‹. Es ist, als wenn du die Angel in einem mit Fischen überreich bestückten See auswirfst, du willst aber einen ganz bestimmten Barsch an den Haken kriegen.«
    »Bist du Angler?«, fragte Max.
    »Wieso?«
    »Dein komischer Vergleich eben.«
    Ein Blitz fuhr durch meinen Kopf, und gleißende Helligkeit fiel für den Bruchteil einer Sekunde auf das finstere Loch in meiner Erinnerung. Ich sah zwei Jungen und einen Mann – ihren Vater? – mit Angelruten an einer grünen Uferböschung sitzen. Der Blitz erlosch und viel zu schnell war wieder Nacht in mir.
    »Was ist?«, fragte Max. »Du bist plötzlich wie erstarrt.«
    »Ich habe über deine Frage, ob ich Angler bin, nachgedacht. Für einen Augenblick glaubte ich mich zu erinnern. Aber es war zu unbestimmt.«
    »Und der Golem, was ist mit dem? Ich weiß, dass es in Deutschland Stummfilme über ihn gab. Und Gustav Meyrink hat Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen Roman mit dem Titel ›Der Golem‹ geschrieben. Aber die Gestalt gibt es schon länger, nicht?«
    Ich sah meine Notizen an. »Sehr viel länger. Im jüdischen Volksglauben ist der Golem eine aus Lehm geschaffene Figur, der auf magische Weise Leben eingehaucht wird. Zahlreiche Legenden variieren die Fabel. Einer häufig zitierten Version zufolge wurde der Golem von dem Rabbi Low, der im sechzehnten Jahrhundert in Prag lebte, geschaffen, um die jüdische Bevölkerung vor einem Pogrom zu beschützen. Aber der Mann aus Lehm geriet außer Kontrolle und lief Amok. Der Rabbi konnte ihn nur mit Mühe aufhalten.«
    »Und was geschah mit dem Golem?«
    »Auch da existieren unterschiedliche Angaben. Er zerfiel zu Staub. Oder der Rabbi versteckte die leblose Figur in der Prager Altneusynagoge, zwischen den Dachsparren oder im Fundament. Einigen Okkultisten zufolge spukt der Golem noch heute durch die Gassen Prags.« Nach kurzem Zögern fuhr ich fort: »Oder durch die Straßen von Berlin.«
    Max riss die Augen auf und beugte sich so weit vor, dass sie fast vom Sofa fiel. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
    »Denk an den Ruf des sterbenden Wächters. Der Golem ist ein Wesen ohne Vergangenheit und Erinnerung – so wie ich!«
    »Aber du bist nicht aus Lehm, sondern aus Fleisch und Blut.« Ein Funkeln trat in

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