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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Umzugskartons. Die abgestandene, trockene Luft kitzelte meine Nase und brachte mich zum Niesen. Unter mir hörte ich Stimmen und Schritte. Die SGB-Männer kamen mir nach, waren schon auf der Treppe.
    Ich fand, was ich gesucht hatte: den Aufgang zum flachen Dach des ehemaligen Lagerhauses. Man konnte die wacklige Holzkonstruktion kaum eine Treppe nennen. Ich stieg hinauf und stieß oben gegen eine geschlossene Holzklappe. Erst als ich die erbeutete Glock in eine Hosentasche steckte und beide Hände frei hatte, konnte ich die Klappe aufstoßen und aufs Dach steigen.
    Kalter Wind schlug mir entgegen und trieb mir dicke Regentropfen mit solcher Gewalt ins Gesicht, dass es wehtat. Hastig schlug ich die Klappe wieder zu und hoffte, meine Verfolger dadurch zumindest für ein paar wertvolle Sekunden über meinen Verbleib im Unklaren zu lassen. Mein Blick glitt über die dunkle Fläche des Daches bis zum Rand. Links von mir, an der dem Fluss zugewandten Gebäudeseite, sah ich das abgerundete Ende einer Feuerleiter, und ich lief darauf zu.
    Hinter mir ertönte ein Klappern. Die Luke flog auf, als ich mich der rostigen Leiter anvertraute. Es gab keinen anderen Fluchtweg. Gerade hatte ich die Glock gezogen, da tauchte ein Kopf in dem Durchstieg auf. Ich schoss und dicht über dem SGB-Mann wurde ein ansehnliches Stück Holz aus der Klappe gerissen. Ich hörte einen Fluch, und der Kopf verschwand wieder in der Versenkung. Das war für mich der Augenblick, die Pistole wegzustecken und den Abstieg zu beginnen.
    Das Mistwetter machte mir die Sache nicht unbedingt leichter. Das Eisengestell der Leiter war kalt und glitschig. Zweimal wäre ich beinah abgerutscht und in die Tiefe gestürzt. Was mich unten erwartete, konnte ich nicht feststellen. Der Boden lag im Dunkeln und ließ nur die groben Umrisse von Kisten und Fässern erkennen. Wenn sich dort einer von Knaups Männern versteckt hielt, sah es für mich schlecht aus.
    Doch die drängendere Gefahr kam von oben. Eine Erschütterung der Leiter ließ mich auf der Höhe des zweiten Stocks innehalten und hochsehen. Ich sah die Umrisse meiner Verfolger. Einer wollte auf die Feuerleiter steigen. Noch einmal setzte ich die Glock ein und der Schuss trieb den vorwitzigen SGB-Mann zurück über die Dachumrandung. Er und seine Begleiter warfen sich aufs Dach und verschwanden aus meinem Blickfeld.
    Falls Knaup einige Männer zu ebener Erde postiert hatte, mussten sie spätestens durch die Schüsse auf mich aufmerksam geworden sein. Ich kletterte noch schneller und nahm die Gefahr eines Absturzes in Kauf. Die letzten Meter überwand ich mit einem riskanten Sprung. Ich landete auf den Füßen, rollte mich über den nassen, schmutzigen Boden ab und nahm ein paar bauchige, schulterhohe Fässer als Deckung. Modergeruch schlug mir entgegen und raubte mir fast den Atem.
    Mein hastiger Absprung erwies sich als richtig. Zwei Männer kamen, Maschinenpistole und Pump-Gun im Anschlag, im Laufschritt um die Ecke. Sie blieben stehen und sahen sich suchend um. Die Fässer schützten mich vor der Entdeckung.
    »Er muss irgendwo da unten sein!«, erscholl es über mir, wo mehrere SGB-Männer über die Feuerleiter nach unten kletterten. »Findet ihn, verflucht!«
    Diese leicht abgehackte Sprechweise – ich glaubte, Knaups Stimme zu erkennen.
    Meine Entscheidung war schnell gefasst: Ich musste von hier verschwinden, bevor die beiden Typen vor mir durch Knaup und die anderen Verstärkung erhielten.
    Als die beiden mir den Rücken zukehrten, wagte ich mich aus meinem Versteck hervor und kroch im Schatten der Gebäudewand von ihnen weg. Ein Kistenstapel bot mir weitere Deckung. An ihm entlang schlich ich bis zu einem Drahtzaun, der das Gelände des Osthafens umschloss. Rechts von mir gab es eine Lücke im Zaun, wie mit einer Drahtschere herausgeschnitten. Irgendjemand hatte sich hier einen Weg zum Hafen gebahnt, vielleicht aus Jux oder um dort lange Finger zu machen. Warum auch immer, mir kam das Loch sehr gelegen.
    Weniger gelegen kam mir allerdings der scharfe Ruf, als ich gerade unter dem Zaun hindurchkroch: »Da ist er, am Hafenzaun. Los, schnappt ihn euch!«
    Ich zwängte mich schnell durch die enge Lücke und zerriss dabei mein T-Shirt. Stolpernd erhob ich mich und rannte los, auf eine Reihe flacher Baracken zu. Ohne mich umzusehen, wusste ich, dass Knaups Leute mir aufs Hafengelände folgten. Der Drahtzaun schepperte leise.
    Endlich erreichte ich die im Dunkeln liegenden Baracken, die vermutlich Büros oder

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