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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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entscheidenden Schritt weitergekommen!
    Ich erhob mich von der Lederpolsterung des Drehstuhls, um mir etwas Warmes überzuziehen. Mein Blick fiel nach draußen, wo die tausend Augen erleuchteter Fenster die Spree säumten. Die Arbeit am Osthafen war längst beendet, und der ganze Fluss lag verlassen unter mir. Er regnete wieder oder noch immer, ich wusste es nicht. Der ganze Tag war trüb, stürmisch und nass gewesen, jeder Blick aus dem Fenster so deprimierend wie ein Wim-Wenders-Film.
    Auf dem Weg zum Schlafzimmer, wo mein Hemd lag, hielt ich an, alarmiert durch ein Geräusch. Es war nur ein leises Kratzen, das fast verschluckt wurde vom Trommeln des Regens gegen die Fenster und von dem konstanten Summen, mit dem die Luftkühlung des Computers schon seit Stunden den Raum erfüllte. Trotzdem war ich auf einen Schlag hellwach und starrte zur Wohnungstür.
    Mein sechster Sinn kam mir zu Hilfe. Ich sah dort drei Gestalten stehen. Zwei hielten unverkennbar Schusswaffen in den Händen. Der Dritte nahm eine gebückte Haltung ein und machte sich an der Tür zu schaffen. Jetzt stand er auf und griff dabei nach einem großen zylinderförmigen Gegenstand, der am Boden lag. Eine Ramme!
    Mir blieben nur Sekunden, bis er die Tür aufgebrochen hatte. Rica hatte mir zwar die Patronen für den Smith & Wesson zurückgegeben, aber der Revolver lag auf dem Nachttisch im Schlafzimmer. Die Zeit war zu knapp, um meine Waffe zu holen. Ich sprang hinter ein hölzernes Bücherregal, das als Raumteiler neben der Wohnungstür stand.
    Fast gleichzeitig erfüllte ein Krachen den Raum, und die Tür flog nach innen. Aus dem Vorraum, der zwischen Lift und Wohnung lag, fiel das Licht der Deckenlampe herein. Zwei Männer, die schusssichere Westen über den Jacken trugen, stürmten die Wohnung. Der eine war mit einer Pump-Gun bewaffnet, der andere hielt eine Automatik im Beidhandanschlag. Ein Stoß von mir, und das Bücherregal begrub die beiden unter sich.
    In der gewaltsam geöffneten Tür erschien der dritte Mann, der die Ramme bedient hatte. Jetzt hatte er sie gegen eine Pistole ausgetauscht. Auch er trug eine dunkle Schutzweste über dem grauen Jackett. Sein kantiges Gesicht wurde auf der linken Wange von einem runden Feuermal verunstaltet.
    Martin Knaup hob die Hand mit der Pistole hoch, aber zu spät. Ich sprang ihn an und riss ihn zu Boden. Keuchend rangen wir um seine Waffe. Mein Puls raste, und mein Herz schlug bis zum Hals. Ich musste nicht nur gegen Dr. Kranz' rechte Hand kämpfen, sondern auch gegen die Zeit. Noch lagen Knaups Begleiter stöhnend unter dem Regal am Boden, aber das konnte sich ändern. Außerdem musste ich damit rechnen, dass die drei nicht die einzigen SGB-Leute vor Ort waren.
    Knaup war ein Kraftpaket, und seine Stärke paarte sich mit Schnelligkeit. Er rammte mir sein Knie in die Seite, und ein stechender Schmerz fuhr durch meinen ganzen Körper, so heftig, dass ich für eine Sekunde an nichts anderes denken konnte. Das genügte Knaup, um sich von mir zu lösen, aufzuspringen und seine Pistole auf mich zu richten, eine österreichische Glock 17.
    »Ende der Vorstellung!«, keuchte er. »Du hattest sowieso keine Chance gegen …«
    Mein rechtes Bein schnellte hoch, und meine Fußspitze traf seine Waffenhand. Die ruckte nach oben, ein Schuss löste sich und schlug in die Decke. Putz rieselte herab. Meine Beine schlossen sich scherenartig um Knaups Unterschenkel, und ich brachte ihn abermals zu Fall. Er wollte sich über die linke Schulter abrollen, landete aber unglücklich, wie ich an einem unterdrückten Schmerzenslaut erkannte.
    Schon war ich über ihm und rammte ihm meine geballte Rechte ins Gesicht. Sein Kopf flog zur Seite, der linke Mundwinkel platzte auf und ein dünner Blutfaden rann ihm über Kinn und Hals. Zwei Sekunden später hatte ich die Glock an mich gebracht und sprang auf.
    Von der engen Treppe neben dem Fahrstuhlschacht drangen schnelle Schrittgeräusche zu mir herauf. Dieser Weg war also für mich versperrt und der Aufzug verbot sich ebenfalls. Er konnte zu leicht zur Falle werden. Mir blieb nur ein Fluchtweg: die Treppe nach oben.
    Über Ricas Wohnung befand sich ein geräumiger Dachboden, der sich über die gesamte Gebäudefläche erstreckte. Er diente als Abstellraum. Von Spinnweben und dickem Staub überzogen, erinnerte er mich an die Kulissenhalle in Max' Theater. In dem schwachen Licht, das durch die kleinen Oberlichter einfiel, sah ich die Umrisse alter Möbel und mit Gerümpel gefüllter

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