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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Detonation meines Schusses unter. Ganz bewusst hatte ich auf seine Beine gezielt. Erstens konnte es mir kaum nützen, einen Polizisten zu töten. Zweitens waren die Beine angesichts seiner schusssicheren Weste das lohnendere Ziel. Der Mann knickte ein und fiel dem anderen vor die Füße. Die Pump-Gun schlug auf den Boden und ging mit einem Höllenlärm los. Die Schrotladung atomisierte eine Fensterscheibe.
    Ich sah es nicht, aber ich hörte es klirren. Denn während der Mann zusammenbrach, sprang ich auf und rannte geduckt und im Zickzack in die Dunkelheit hinein. Mein linker Fuß war eingeschlafen und sandte bei jedem Schritt den Schmerz von tausend kleinen Stichen aus. Ich ignorierte es und lief weiter. Hinter mir ertönte das trockene Knattern einer MP, und die Kugeln rissen dicht neben mir den Boden auf. Dann verschwand ich hinter einem riesigen Kieshaufen.
    In der Deckung des Kieshaufens blieb ich stehen und sah mich um. Hinter mir lagen die Baracken. Dorthin konnte ich nicht zurückkehren. Knaup und seine restlichen Leute hätten komplett taub sein müssen, um die Schüsse zu überhören. Vor mir ragte eine Steinmauer auf, so hoch und glatt, dass sie weder eine Deckung noch eine Fluchtmöglichkeit bot. Rechts standen auf einem beleuchteten Parkplatz Lastwagen, Zugmaschinen und Frachtauflieger. Links war die Spree, gesäumt von Anlegestellen und Verladekränen.
    Ich nahm auf dem Parkplatz eine Bewegung wahr und hörte Geräusche, wie leise Schritte. Zwei Männer mit schussbereiten Waffen hielten sich in der Deckung eines Frachtaufliegers, aber ich sah sie trotzdem. Mein sechster Sinn.
    Also zum Fluss!
    Ich spurtete los und sah mich nicht ein einziges Mal um. Hinter mir ertönten Schritte und Rufe, dann Schüsse. Zwei-, dreimal flogen die Kugeln knapp an mir vorbei. Als ich durch den Lichtschein einer Bogenlampe lief, hätten sie mich erwischen müssen. Aber wieder verfehlte mich eine MP-Salve, und vor mir spritzten die Kugeln in den nassen Schotterboden. Ich verstand ihre Taktik: Sie trieben mich in die Enge, und dann bekamen sie mich lebend.
    Vor mir lagen der Fluss und ein langer Steg mit mehreren Abzweigungen, an denen größere und kleinere Kähne vertäut waren. Ich lief über die von Lampen gesäumten Bohlen auf den Steg hinaus, verfolgt von den SGB-Leuten. Sie hatten das Feuer eingestellt, glaubten sich meiner sicher.
    Triumphierend erscholl Knaups Stimme: »Gleich ist er am Ende des Stegs, dann gehört er uns!«
    Das war der Augenblick, in dem ich kopfüber in den Fluss sprang. Und ich hoffte, dass ich nicht nur in meinen Alpträumen schwimmen konnte wie ein Fisch.

 

    14
    D as Telefon klingelte lange, bis jemand abnahm und eine kratzige Männerstimme sagte: »›Bärliner‹, Lokalredaktion, Sallmann.«
    »Holen Sie bitte Frau Aden an Ihren Apparat!«
    »Frau Aden hat einen eigenen Anschluss. Einen Moment, ich stelle Sie zu ihr …«
    »Nein, das will ich nicht! Gehen Sie zu ihr und holen Sie Rica an Ihren Apparat!«
    »Was soll denn das?« Sallmann klang genervt. »Glauben Sie, ich habe nichts anderes zu tun als den Boten für Sie zu spielen? Wer sind Sie überhaupt?«
    »Ein Informant. Und wenn Sie Rica nicht gleich an Ihren Apparat holen, geht dem ›Bär liner‹ einen Bomben-Story flöten, Herr Sallmann!«
    Kurzes Zögern, dann ein gepresstes »Na gut, ich seh mal nach«.
    Ein Klacken zeigte an, dass Sallmann den Hörer auf den Tisch legte. Leise Bürogeräusche kamen durch die Leitung. Unverständliche Gesprächsfetzen, das monotone Klappern einer Tastatur, das Klingeln eines Telefons, Schritte.
    Wieder klackte es in der Leitung, Atemgeräusche, dann eine Frauenstimme: »Ja?«
    »Rica?«
    »Ja, wer ist denn dort?«
    »Ich hoffe, du hast meine Stimme noch nicht vergessen. Nenn keinen Namen!«
    »J-ja, ich erkenne deine Stimme. Wo steckst du?«
    »Unwichtig. Kann uns jemand hören?«
    »Nein.«
    »Wirst du überwacht?«
    »Ich denke es, bin aber nicht sicher.«
    »Wahrscheinlich ist es so. Du musst sie abschütteln, Rica, egal wie! Dann besorg dir einen anderen Wagen, aber miete keinen auf deinen Namen. Mach es über Freunde oder die Redaktion. Und eine Waffe.«
    »Was?«
    »Am besten eine Automatik mit Ersatzmagazinen. Du wirst schon wissen, wie man an so was rankommt. Wir treffen uns draußen in Potsdam am Park Sanssouci. Auf der Fahrt hast du ausreichend Gelegenheit zu checken, ob dir jemand folgt. Wenn du hinter dem Schloss zur Mühle und zum Informationszentrum fährst, kommt ein großer

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