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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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sicherte die Waffe, behielt sie aber in der Hand. Ich war sehr froh über die alte sowjetische Offizierspistole. Die Glock, die ich Knaup abgenommen hatte, war bei meinem nächtlichen Bad in der Spree verloren gegangen. Und das rostige Stück Rohr war keine Waffe, die einen Gegner auf die Dauer beeindrucken konnte.
    »Dort drüben ist eine Bank«, sagte ich und zeigte nach Osten. »Ein lauschiges Plätzchen, gut von Bäumen und Büschen abgeschirmt.«
    Als wir zu der Bank kamen, fragte Rica: »Hast du hier mit deinen Freundinnen gesessen und mit ihnen den romantischen Sonnenuntergang bestaunt?«
    »Keine Ahnung, mal wieder«, antwortete ich. »Ich weiß nur, dass ich mich hier gut auskenne.«
    Mit einem Taschentuch reinigte ich die Bank von den Resten des Regens, so gut es ging, und wir setzten uns. Der Blick ging nach Süden, auf Sanssouci hinunter. Dächer und Kuppeln glänzten im Sonnenlicht wie ein Bild aus einem Märchenbuch. Weiter rechts drehte die Mühle zur Freude der Touristen ihre großen Flügel im Wind. Rica hatte Recht, es war wirklich ein romantischer Ort.
    Sie warf einen missmutigen Blick auf die Waffe. »Kannst du dein Spielzeug nicht wegstecken? Hat mich zwar 'ne Stange Geld gekostet, aber deshalb muss ich es nicht dauernd vor Augen haben.«
    Ich steckte die Waffe, ohne sie zu entladen, in eine Außentasche der Popelinejacke. Die Jacke, die helle Jeanshose, die Wildlederschuhe, alles, was ich am Leib trug, hatte ich einem glücklichen Zufall zu verdanken. Nachdem ich lange durch die kalte Spree geschwommen und getaucht war, hatte ich mich schließlich erschöpft an Land gezogen. Gott sei Dank hatte ich mich als ein hervorragender Schwimmer erwiesen. Vollkommen durchnässt, schlich ich durch die Straßen und sah einen Wagen mit Celler Kennzeichen vor einer Pension halten. Der Fahrer ging ins Haus, wohl um nach einem Zimmer für die Nacht zu fragen. Und er ließ den Wagen unverriegelt stehen. Ich schnappte mir die große Reisetasche vom Rücksitz und öffnete das Handschuhfach, wo einiges an Münzgeld lag, um Parkuhren und -automaten zu füttern. Jetzt gehörte es mir, genauso wie die Kleidung des Fremden, die ich mir in einem dunklen Hinterhof angezogen hatte. Die Sachen waren ein wenig knapp, aber es ging gerade noch. Nur die Schuhe drückten.
    »Wie bist du hergekommen?«, fragte Rica.
    »Mit der S-Bahn nach Potsdam und dann mit der Straßenbahn. Und du, woher hast du den kleinen Opel?«
    »Er gehört Sallmanns Schwester Sylvia. Sie sonnt sich zur Zeit auf Kreta, und Sallmann passt auf ihre Wohnung und ihren Wagen auf. Das heißt, jetzt passe ich auf beides auf.«
    »Sehr gut«, sagte ich zufrieden. »In deine Wohnung kann ich nicht zurück. Hat Sallmann lästige Fragen gestellt?«
    »Was glaubst du wohl? Er ist Journalist! Ich habe ihn mit ein paar fadenscheinigen Erklärungen abgewimmelt. Aber ich musste ihm versprechen, meine große Story mit ihm zu teilen. Passt mir gar nicht!«
    »Was weiß er von deiner großen Story?«
    »Nichts Konkretes.«
    »Ahnt er, dass die SGB in der Sache drinsteckt?«
    »Ich glaube, nicht. Kranz und Co. haben mich vor meiner Wohnung abgefangen. Den Kollegen habe ich nichts erzählt. Trotzdem könnten sie Wind von der Sache kriegen.«
    »Und Kranz?«, fragte ich gespannt. »Wie hat er mich gefunden?«
    »Eine gute Frage, die ich ihm auch gestellt habe. Leider wollte er sie nicht beantworten. Ich nehme an, er hat die Videobänder aus der Tiefgarage am Potsdamer Platz auswerten lassen und gesehen, wie du in meinen Wagen steigst.«
    Ich stimmte ihr zu und fragte: »Was weiß Kranz?«
    »Das hat er mir nicht auf die Nase gebunden. Aber er war ziemlich sauer und hat versucht, mich massiv unter Druck zu setzen. Er faselte etwas von Beihilfe und Mittäterschaft und von schwer wiegenden Folgen, die das für mich haben würde. Sollte ich mich aber kooperativ zeigen, na ja, das übliche Bullengequatsche.«
    »Hast du dich kooperativ gezeigt?«
    Rica erwiderte meinen forschenden Blick mit unbewegter Miene. »Was glaubst du?«
    »Da du hier neben mir sitzt und nicht in U-Haft, musst du Kranz irgendwie rumgekriegt haben.«
    »Ich habe ihm eine wilde Geschichte erzählt, eine Mischung aus Facts und Fiction. Zunächst einmal habe ich ihm gesagt, ich hätte keine Ahnung, wer du bist. Du hättest mich durch einen Anruf in die Tiefgarage am Potsdamer Platz bestellt, um mir wichtige Informationen zukommen zu lassen. Du hättest als Gegenleistung aber so viel Geld von mir gefordert, dass

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