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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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ich einige Tage benötigte, um die Summe aufzubringen. Während der Zeit hätte ich dich auf deinen Wunsch bei mir versteckt.«
    Ungläubig starrte ich Rica an. »Das hat Kranz dir wirklich abgekauft?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat er Zweifel, aber er kann mir nichts beweisen.«
    »Und worüber wollte ich dir Informationen liefern?«
    »Über das Massaker im INTEC-Tower.«
    »Wie hat Kranz darauf reagiert?«
    »Er hat keine Miene verzogen und wollte wissen, was du mir über den Mordfall erzählt hast. Ich habe gesagt, du hättest den Mund kaum aufbekommen, hättest nur etwas von einem Golem gefaselt. Ich dachte, ich gebe ihm ein bisschen was zu knabbern für den Fall, dass er deine Golem-Notizen findet. Was auch geschehen ist. Kranz' Leute haben meine Wohnung auf den Kopf gestellt.«
    »Ja, die Notizen sind weg«, sagte ich. »Aber was soll's? Diese Golem-Geschichte scheint mir sowieso eine Sackgasse zu sein.«
    »Das würde ich nicht sagen«, erwiderte Rica zu meinem Erstaunen. »Meine gestrigen Recherchen haben mich auf eine interessante Spur gebracht.«

 

    15
    B erlin stellte seinen Ruf als eine der staufreudigsten Metropolen Europas einmal mehr unter Beweis. Als wir Spandau erreichten, war längst die Dämmerung hereingebrochen und Rica hatte die Scheinwerfer eingeschaltet.
    Zum x-ten Mal sah ich über die Schulter. Aber je schwächer das natürliche und je stärker das künstliche Licht wurde, desto schwieriger war es, die Fahrzeuge hinter uns zu unterscheiden. Erst verloren sie ihre Farben, dann ihre Formen. Schließlich waren sie nur noch schemenhafte Gebilde, deren Halogenlichter blendeten und nicht erkennen ließen, wer jenseits der Windschutzscheibe saß.
    »Du leidest an Verfolgungswahn«, sagte Rica, setzte den Blinker und fädelte den Opel Agila auf der rechten Abbiegespur ein.
    »Hätte man dich gestern Abend mit MP-Salven und Schrotladungen in die Spree gejagt, wärst du auch ein wenig nervös.«
    »Ein wenig? Du müsstest längst eine verrenkte Schulter haben! Dabei sind wir vollkommen sicher. Kranz und seine Leute wissen vermutlich nicht mal, dass ich die Redaktion schon vor Stunden verlassen habe. Ich bin nämlich im Laderaum eines unserer Ausliefererwagen mitgefahren.«
    »Und wenn sie dich einfach mal zum Spaß und zur Kontrolle in der Redaktion anrufen?«
    »Dann melde ich mich, beziehungsweise meine Kollegin Vera. Wenn es bei mir klingelt, geht sie ran und meldet sich als Rica Aden. Außerdem habe ich sie beauftragt, unter meinem Namen ein paar harmlose Anrufe zu machen, damit die SGB im Fall einer Telefonüberwachung beschäftigt ist.«
    »Und dein Handy? Darüber könnte man dich orten!«
    »Ist natürlich abgestellt.«
    »Wirklich clever«, sagte ich, und es klang mürrischer, als ich es beabsichtigt hatte.
    »Frauenpower«, erwiderte Rica kühl.
    Auf diesem Niveau verlief unsere Unterhaltung, seitdem wir Sanssouci verlassen hatten. Bei jedem kleinen Wortwechsel fühlte ich mich wie die ›Titanic‹ auf Kollisionskurs mit dem Eisberg. Und der Eisberg war Rica. Kalt, glatt und mit scharfen Kanten. Sie schien mir wirklich übel zu nehmen, dass ich ihr misstraut und sie auf dem Ruinenberg behandelt hatte ›wie eine drittklassige Mata Hari‹. So hatte sie selbst es ausgedrückt.
    Wohl auch aus diesem Grund hatte sie mir nicht gesagt, wohin wir fuhren. Nur, dass wir uns ihre interessante Spur näher ansehen wollten, hatte sie mir verraten. Und als wir auf dem Parkplatz in Sanssouci eine Bratwurst aßen, hatte sie hinzugefügt: »Wenn Hugo sagt, er hat was, dann lohnt das allemal einen Besuch.«
    Rica kannte sich in Spandau besser aus als ich. Sie kurvte durch Straßen, die mir völlig fremd waren. Wir fuhren an vornehmen Villen entlang, die sich durch Hecken und Bäume von der Außenwelt abschirmten. Das Grün blieb, die Häuser verschwanden. Der Agila rollte über eine asphaltierte Landstraße, bog auf einen ruckeligen Feldweg ab, links und rechts nur Wiesen und Wälder. Noch mal eine Abzweigung, wieder ein unbefestiger Weg und dann, nach einer Kurve ein großer, von einer hohen Mauer umgebener Gebäudetrakt, der mich an einen alten Bauernhof erinnerte.
    Vor dem verschlossenen Tor hielt Rica an und ließ den Motor im Leerlauf. »Warte hier.«
    Sie stieg aus, ging zum Tor und drückte auf einen Knopf. Er gehörte zu einer Gegensprechanlage. Als Rica zurückkehrte, glitt das Tor zur Seite. Wir fuhren auf einen weitläufigen Hof und hinter uns schloss sich das Tor wieder.
    Das

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