Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
Atemzug in der Lunge brannte und ihm Tränen in die Augen trieb. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf die Ziffern der Digitaluhr auf dem Nachttisch und musste beim Ticken der Sekunden an eine Zeitbombe denken, die leise vor sich hin tickt, bis zur Detonation.
Wenn das Dunkle nach dir ruft, Ian …
Zum Teufel damit! Er hatte im Augenblick nun wirklich genug um die Ohren! Da konnte er das idiotische Gewisper seiner Mutter im Kopf überhaupt nicht brauchen. Nicht, wenn er sowieso schon an der Schwelle zum Wahnsinn stand und kurz davor war, das letzte bisschen Kontrolle auch noch zu verlieren, an dem er sich festhalten konnte.
Voller Verzweiflung atmete er tief durch die Nase ein, um etwas Frisches und Sauberes zu riechen, das die hässlichen Vorstellungen aus seinem Kopf vertrieb. Aber in dem Zimmer hing nur der scharfe und beißende Gestank von Schweiß und Angst. Und dass er Angst hatte, konnte er nicht abstreiten – dass Entsetzen in ihm hämmerte wie ein ohrenbetäubendes Donnergrollen.
Sein Hirn war noch ganz benebelt von diesen Vorstellungen von Blut und Lust, von gewalttätigem Sex und animalischer Gier. Er kämpfte an gegen die Wellen der Erinnerung, konzentrierte sich darauf, wieder Kontrolle über sich selbst zu erlangen, seinen Herzschlag und seine Atmung zu verlangsamen. Und dagegen, wie ein blöder Halbwüchsiger in den letzten Zuckungen eines feuchten Traums das ganze Laken dreckig zu machen.
Verflucht noch mal! Sie war das gewesen! Sie hatte ihm das alles mit ihrem verrückten Gehabe eingeredet. Er wollte nicht einmal daran denken, wie er sich im Traum mit ihr – in ihr gefühlt hatte. Kam gar nicht infrage. Dahin durften seine Gedanken auf keinen Fall schweifen.
Die Sekunden verstrichen, wurden langsam zu Minuten, während er dalag und versuchte, seinen Körper wieder in die Gewalt zu bekommen – und den Drang bekämpfte, den Traum vor seinem inneren Auge noch einmal ablaufen zu lassen, denn das würde ihn zerstören. Nur sie könnte ihn dann noch von dem gefährlichen Abgrund zurückreißen, der sich ihm auftun würde. Er knirschte mit den Zähnen. Begrüßte den plötzlich aufkommenden, dumpf klopfenden Kopfschmerz beinahe – bis ihm klar wurde, dass jemand an die Tür klopfte. So laut und hämmernd wurde das Pochen, dass sich die dünne Holztür beinahe bog wie ein einsames Schilfrohr im Sturm.
Ian rollte sich auf den Rücken und schätzte sein Erscheinungsbild ab. Er war schweißnass, glühte vor Hitze, die Muskeln verkrampft, und ein schiefer Blick an sich herunter führte ihm vor Augen, dass er ganz und gar nicht vorzeigbar war.
Wieder wurde fordernd an die Tür gehämmert. Er schwang die Beine aus dem Bett, fuhr sich mit einer zitternden Hand durchs feuchte Haar und versuchte, das komische Gefühl aus dem Bauch zu vertreiben, das der Traum hinterlassen hatte. Es war vermutlich Riley, der Hilfe brauchte. Schon wieder. Er hatte keine Ahnung, wieso sein Bruder annahm, dass Ian gerne als Ritter in schimmernder Rüstung auftrat, um ihm aus irgendwelchen Notlagen zu helfen. Aber vielleicht war das auch nur Rileys Versuch, ihn im Auge zu behalten, damit er nicht vom rechten Weg abkam.
Puh. Als ob er sich nach der Zeit zurücksehnte, bevor er hier hinauf in die Berge kam. Schönen Dank auch. Er hatte genug davon, dauernd am Abgrund zu leben. Sich Stunde für Stunde, Tag für Tag in Acht nehmen zu müssen. Die ständige Anspannung, sich durch jeden einzelnen Tag aufs Neue kämpfen zu müssen, hatte ihn ausgelaugt. Er hatte nicht das geringste Bedürfnis, so etwas noch einmal zu erleben.
Schnell schnappte er seine Jeans vom Boden auf und tastete sich durch die dunklen Zimmer seines Apartments in der Hoffnung, dass es doch nicht sein Bruder sein möge … oder Kendra. Er hatte am Abend auf ihren Anrufbeantworter gesprochen, wollte sich nur überzeugen, dass es ihr gut ging, nachdem Molly Stratton ihm nachmittags diesen abgefahrenen Mist erzählt hatte.
„Zum Donnerwetter, komme ja gleich!“, rief er, als das Hämmern an der Tür noch lauter und ungeduldiger wurde. Er schlüpfte in seine Jeans, knöpfte den Latz zu und riss die Tür auf.
Und natürlich, da stand sie. Die kleine Miss Molly .
Verfluchte Scheiße. Was sowieso schon ein heftiger Ständer gewesen war, verwandelte sich prompt in ein brennendes Bleirohr, das die nicht ganz geschlossene Hose ausbeulte und ihn beinahe zum Exhibitionisten werden ließ.
Auch sie trug noch ihre Jeans, aber statt dem weißen Hemd nun ein
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