Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
eine Statue zu meinem Gedenken auf dem Schulhof errichten würde mit der Inschrift: «Es währe die Feindschaft nur, bis Vertrauen und Zusammenhalt sie überwinde.»
Doch nichts geschah. Keine Begeisterungsstürme, kein anerkennendes Gemurmel und erst recht keine Statue. Stattdessen blickte mich das gesamte Kollegium, junge und alte Lehrer, entgeistert mit offenen Mündern an. Vereinzelt lösten sich Wortfetzen aus der Stille des Entsetzens: «Zusammen?» – «Voneinander lernen …» – «Unmöglich!» – «Er hat ja keine Ahnung.» – «Was erlaubt der sich eigentlich? Will uns was vorschreiben!» – «
Wir
sind doch die Lehrer!» Da hielten sie also wieder zusammen. Wie konnte ein Schüler es wagen, Lehrern etwas vorzuschlagen? Das geht nicht, da waren sich alle einig.
Ich beschloss, die mitgebrachten Arbeitsblätter auf den Tisch des Adressaten zu legen und das Lehrerzimmer lieber wieder zu verlassen. Während sich die Tür langsam hinter mir schloss, entbrannte aufgeregtes Gegacker. Als wenn eine Ente in einem Hühnerkäfig ein Ei gelegt hätte. Es war einfach zu absurd.
Immerhin wurde die Feindschaft zwischen den beiden Lehrergruppen halbwegs beigelegt, und Frau Dreyer soll sogar einmal beobachtet worden sein, wie sie mit einem jungen Lehrer über Unterrichtsmethoden sprach. Aber natürlich nur ganz, ganz leise …
Die Höhle des Löwen
Es gibt einen Ort in jeder Schule, der von einem Geheimnis umgeben ist. Ein Ort, an den man nur gelangen kann, wenn man für seltene Aufgaben auserwählt wird. Einen Ort, den nur wenige, die dort hineingingen, jemals wieder dauerhaft verlassen. Dieser Ort schlägt die dort wandelnden Menschen in seinen Bann, er verschlingt sie und lässt sie nie wieder los. Dieser Ort ist das Lehrerzimmer!
Bei uns erhielten Schüler dort nur für seltene Botendienste oder als Bücherträger Zugang, und von außen war er lediglich durch ein paar kleine Fenster, die mit Vorhängen verdeckt waren, einzusehen. So rankten sich allerlei Mythen und Geschichten um dieses Zimmer, in dem die Lehrer ihre Pausen und Freistunden verbrachten. Niemand wusste genau, was sie dort taten. Als ich dort wie gerade beschrieben Arbeitsblätter abliefern sollte und den merkwürdigen Streit des Kollegiums miterlebte, war ich nur in das Vorzimmer eingelassen worden. Dort saßen die meisten Lehrer in den Pausen, denn dort standen sowohl ein Kühlschrank mit Getränken als auch der für die Unterrichtsvorbereitung so wichtige Kopierer. Im hinteren Bereich dieses Raumes befand sich jedoch eine besser als die britischen Kronjuwelen bewachte Tür, eine Tür, die zum Hauptteil des Lehrerzimmers führte. Zu diesem Raum hätte man wahrscheinlich noch nicht mal eine UN -Delegation vorgelassen, wenn diese in der Schule ein geheimes Arsenal von Atomwaffen vermutet hätte. Was hielt man dort versteckt? War dort ein Luftschutzbunker, das Bernsteinzimmer oder einfach nur ein Umschlagplatz für illegal importierte Glühbirnen? Planten die Lehrer dort die Übernahme der Weltherrschaft? Oder standen dort einfach nur ein paar Tische und Stühle in der Gegend herum, auf denen sich ungefähr fünfzig schon in der ersten Pause völlig erschöpfte Lehrer gegenseitig zusicherten, die nächste Doppelstunde mit der 7 b nicht zu überleben?
Das Mysterium Lehrerzimmer lässt Raum für Spekulationen und Verschwörungstheorien. Bei uns waren sich einige Schüler sicher, die CIA leite dort einen Stützpunkt, und alle unsere Lehrer seien in Wahrheit Agenten, die uns nur zur Tarnung unterrichteten. Andere vermuteten eher die Illuminaten und Freimaurer oder Scientology hinter der Verschlossenheit dieses Areals. Manche folgten der Ansicht, Außerirdische wären in unserem Lehrerzimmer gelandet. Da sie aber aufgrund ihres Erscheinungsbildes und einer extraterrestrischen Strahlung, die sie absonderten, tödlich auf normale Menschen wirkten, würden sie sich nur Lehrern zeigen und den Rest der Menschheit durch diese Lehrer lenken.
Was immer es war, es musste eine Angelegenheit von höchster Sicherheitsstufe sein, denn das Lehrerzimmer war der letzte Ort, an den sich kein Schüler je traute. Man blieb, wie von einer unsichtbaren Kraft gebremst, in einem Halbkreis vor der Tür des Lehrerzimmers stehen und ging auch nicht hinein, wenn man einen Lehrer etwas fragen wollte.
Brauchte man einen Lehrer sehr dringend und hatte ihn auf dem restlichen Schulgelände nicht finden können, so sprach man einen anderen Lehrer an, der auf dem Weg in das
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