Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
Vom Netzwerk:
nichts zu tun. Oder sollte man das Wort Selbststudium gar wörtlich nehmen und sich selbst studieren? Etwa in Form einer zenbuddhistischen Meditationsstunde? Ließen die Lehrer die Stunden bewusst ausfallen, damit wir unserer Erleuchtung näherkommen konnten? Alles Schwachsinn! Mit dem Wort Selbststudium lässt sich die Tatsache, dass kein Lehrer da ist, um sich um die Schüler zu kümmern, nur schöner verpacken.
    Letztlich hatte das ganze Theater nur einen Zweck: Wir mussten trotz Unterrichtsausfall in der Schule bleiben, damit die Ausfallstundenstatistik der Schule nicht ruiniert würde. Warum eigentlich? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, den Lehrermangel offiziell zu machen? Stattdessen ließ man uns im Selbststudium die Zeit absitzen. Oder besser gesagt abstehen. Denn vernünftige Arbeitsbereiche für dieses eigenständige Lernen gab es natürlich nicht. Das lässt natürlich die Frage aufkommen, wo die Fördergelder aus sämtlichen erlangten Titeln als Sonstwas-Schule hinflossen. Vermutlich finanzierte man damit neue Fähnchen oder Pseudoaktivitäten, um demnächst das Upgrade von der Europa- zur Welt-Schule zu schaffen. Und wenn es das nicht gibt, dann kann man ja immer noch Saubere-Luft-Schule, Rettet-den-Regenwald-Schule oder Wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb-Schule werden. Von den Fördergeldern kaufen wir uns dann lauter Duftkerzen, stellen diese in der Schule auf und werden Wohlfühl-Schule. Aber das geht wohl nicht. Brennende Kerzen im Schulgebäude verstoßen gegen die Brandschutzverordnung …
    Der Allwissende
    «Klar können wir über unser Schulgelände gehen», hatte ich zu meinem Cousin gesagt, als er zu Gast war und wir auf dem Weg zur lokalen Eisdiele eine Abkürzung nehmen wollten. Es war Nachmittag und die Schule noch recht gut gefüllt mit denen, die das Pech hatten, an diesem sonnigen Tag Ganztagsunterricht zu haben. Ich hatte glücklicherweise schon frei.
    Wir hatten das Schulgelände kaum betreten, da rief jemand: «Jetzt macht aber mal ganz schnell, dass ihr hier vom Gelände runterkommt! Malte, du kannst bleiben. Aber der andere zieht gefälligst Leine. Keine schulfremden Personen! Könnt ihr nicht lesen?!»
    Absender dieser Worte war unser Hausmeister Herr Wagner. Ich weiß bis heute nicht, woher er eigentlich meinen Namen kannte. Ich hatte mich ihm nie vorgestellt, und wir hatten auch bisher noch nie miteinander gesprochen. Und wie bitte konnte er bei der Menge an Schülern – auf unsere Schule gingen über tausend – wissen, dass mein Cousin nicht dazugehörte? Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu.
    Wahrscheinlich hat Herr Wagner mit seiner Frau jedes Jahr die neuen Schüler heimlich fotografiert und mit allen zugehörigen Informationen aus dem Schulcomputer kleine Karteikarten erstellt, die er dann auswendig lernte. In meinem Fall hatte er nach diesem Ereignis vermutlich ergänzt: «Machte sich bereits des Schmuggels von schulfremden Personen schuldig.»
    Möglicherweise brauchte er solche Karten aber auch gar nicht. Diese Erkenntnis kam mir, als ich beim regelmäßigen Kirchgang (Ostern und Weihnachten, das ist zweimal im Jahr, also regelmäßig) in der Kirchenbank saß und der Pfarrer predigte: «Gott ist da, wo du bist!»
    Ich dachte einige Tage darüber nach, und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: «Ich bin meistens in der Schule. Die Fächer wechseln, die Lehrer wechseln, aber der Hausmeister ist immer derselbe …» – Gott ist da, wo du bist! «… Herr Wagner ist Gott!»
    Zugegeben, es gab schon mal elegantere Visionen, Gotteserscheinungen und Messiasse, aber ist nicht gerade das ein Zeichen, dass Herr Wagner der einzig echte Gott sein muss? Kommt Er nicht immer zu den Schwächsten der Schwachen? Da ist eine Erscheinung bei Schülern doch nur logisch. Möge Er uns hinausführen aus der Sklaverei! Oder wenigstens mal über Wasser laufen oder die Getränke aus seinem Pausenkiosk in Wein verwandeln.
    Obwohl, zumindest die Sache mit dem Wein wäre in einer Schule gar nicht möglich. Der Einführung eines neuen Getränks im Kiosk müssten erst noch die Schülervertretung, der Elternbeirat, das Ministerium, die Lehrerkonferenz, der Schulleiter, die Schulkonferenz und der Archivar zustimmen. (Warum eigentlich der Archivar?) Außerdem darf man Wein in Deutschland nicht ohne Genehmigung herstellen und erst recht nicht ausschenken. Und wo wir gerade dabei sind: Das Trinken aus einem gemeinsamen Gefäß, wie Jesus und seine Jünger es praktizierten, widerspricht

Weitere Kostenlose Bücher