Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
nicht weit von meinem Standpunkt entfernt. So auch diesmal.
Glücklicherweise erbarmte Fabio sich meiner und zeigte mir nochmal die Wurftechnik. Und einen Versuch hatte ich noch. Ein Versuch, bei dem ich zeigen wollte, was ich konnte. Ich warf und erreichte eine Weite von glorreichen neun Metern. Immerhin. Frau Svensson wollte mich aufmuntern: «Malte, du musst nur ein bisschen üben, dann schaffst du sogar zwanzig Meter.» Also begann ich zu üben, und das Unglaubliche geschah: Ich warf den Ball sogar einundzwanzig Meter weit. Dass zwischen meinem anfänglichen Scheitern und meinem Einundzwanzigmeterwurf acht Jahre lagen und ich mittlerweile sechzehn war, tut ja nichts zur Sache. Zeit und Raum sind schließlich relativ.
Ab einem bestimmten Alter musste man dann nicht mehr an den Bundesjugendspielen teilnehmen, sondern veranstaltete einen sogenannten Friedenslauf. Dabei besorgten wir uns im Familien- und Freundeskreis Sponsoren, die uns pro gelaufenen Kilometer einen gewissen Betrag spendeten. Unter dem doch sehr hohen Druck, weil man ja für einen guten Zweck lief, versuchte man, so viele Runden wie möglich zu absolvieren. Unsere Lehrer wendeten zusätzlich gewiefte Motivationstechniken an, indem sie riefen: «Denkt dran! Wenn ihr nicht genug lauft, dann müssen die Kinder in Afrika verhungern!» Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich die Erwähnung dieser Kausalkette nicht gerade fair finde.
In meinem letzten Jahr in der Schule musste ich übrigens nicht aktiv an diesen Sportveranstaltungen teilnehmen. Ich hatte mich freiwillig zum Messen der Sprungweiten bei den Bundesjugendspielen einteilen lassen und durfte nun selber den kleineren Kindern ihre Ergebnisse verkünden. Erst da verstand ich, warum Frau Svensson uns immer hat leiden lassen: Es ist verdammt langweilig, Weiten zu messen und Sand zu harken. Da braucht man etwas Abwechslung oder ein Ventil. Ich für meinen Teil bin nach einer Weile dazu übergegangen, bei den guten Springern ein paar Zentimeter abzuziehen und bei den unsportlichen sehr großzügig aufzurunden. Sportversager müssen zusammenhalten.
Nach den Erfahrungen von etlichen Bundesjugendspielen bin ich froh, die Schule jetzt hinter mir zu haben und nie wieder zu einer Sportart gezwungen zu werden, die ich nicht mag. Bei mir muss eben auch Sport einen Sinn ergeben. In eine Sandgrube zu springen, die danach sofort wieder glatt geharkt wird, finde ich einfach bescheuert. Da sieht man ja gar kein Ergebnis.
Fuß- oder Basketball sind da anders, hier muss der Ball in das Tor bzw. den Korb. Neben die sportliche tritt eine ordnende Komponente – das finde ich sinnvoll.
Vielleicht gründe ich irgendwann mal einen Verein, der sich für die Abschaffung der Bundesjugendspiele engagiert. Sie sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Man könnte stattdessen Sportfeste veranstalten, bei denen man zwischen verschiedenen Sportarten wählen kann.
Für die typischen Bundesjugendspieldisziplinen gilt für mich aber weiterhin:
Springen, Laufen, Werfen geht mir auf die Nerven.
Werfen, Laufen, Springen möcht ich nicht besingen.
Und beim Springen, Werfen, Laufen möchte ich mich nur besaufen.
(An diesem Punkt stellen Sie sich bitte einen Karnevalstusch und eine Fanfare vor.)
Timing
Genau wie bei den Bundesjugendspielen und beim Sport allgemein kommt es in der Schule oft auf das richtige Timing an. Ansonsten zeichnet sich Schule ja eher durch Alltagsferne aus, aber was das Timing angeht, gilt in der Schule wie im normalen Leben: Timing ist alles. Angesichts dieser seltenen Realitätsnähe der Schule halte ich an dieser Stelle eine Gedenkminute für angebracht …
Wie wichtig Timing in der Schule ist, zeigt sich in Bezug auf die Unterrichtsbeteiligung: Als Schüler muss man sich ja mit der Frage beschäftigen, wann es strategisch am besten ist, sich im Unterricht zu melden. Generell ist eine rege Beteiligung zu Beginn des Schuljahres günstig, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Danach kann man es etwas schleifen lassen, um dann kurz vor der Notenvergabe mit der Leistung wieder anzuziehen. Das nennt man dann Saisonbeteiligung.
Auch das Schulpersonal muss sich um das richtige Timing bemühen. Unser Schulleiter war da immer sehr vorbildhaft, schaffte er es doch, gewisse Baumaßnahmen immer so zu terminieren, dass sie genau dann vollzogen wurden, wenn sie keiner brauchen konnte. Wenn Sie wissen wollen, was ich meine, schreiben Sie einfach mal eine Klausur, wenn im Nachbarraum der Boden zwecks
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