Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
sämtlichen Hygienevorschriften. Man merkt schon: Jesus wäre in der heutigen Zeit aufgeschmissen gewesen. Hätte er dann auch noch von «Blut, das für alle vergossen wird» gesprochen, wäre ihm eine Altersbeschränkung ab mindestens zwölf Jahre auferlegt worden, und beim Brechen des Brotes hätte er eine Schüssel darunterhalten müssen, damit keine Krümel verloren gehen. Es muss schließlich alles recycelt werden. Seine Bergpredigt hätte Gottes Sohn übrigens von Anfang an vergessen können: Es gab dort oben erhebliche Blitzeinschlaggefahren. Wahrscheinlich blieb Gott als unser Hausmeister deswegen so unerkannt.
Vielleicht hatte Herr Wagner aber auch einfach zu viel Zeit und konnte daher tatsächlich alle Namen der Schüler auswendig lernen. Um die Schule in Stand zu halten, hat er seine Zeit jedenfalls nicht allzu oft genutzt. Viel häufiger sah man ihn mit irgendwelchen Lehrern plaudern, die erstaunlich oft Zeit für ihn hatten, aber uns, wenn wir sie auf dem Flur etwas fragen wollten, mit dem Verweis auf ihre knapp bemessene Zeit abwiesen. Klar, als Hausmeister muss man sich auch sozial in eine Schulgemeinschaft einbringen. Die defekten Leuchtstoffröhren im fensterlosen Jungenklo im dritten Stock konnten da ja wohl mal ein bisschen warten. Sie blieben trotz oder gerade wegen der Gespräche des Hausmeisters lange kaputt. Ganz schön asozial, so Leuchtstoffröhren!
Interessanterweise gewann Herr Wagner bei den Schülern an Beliebtheit, je älter sie wurden. War er von den jüngeren Schülern noch gefürchtet, so entwickelte er sich in der Oberstufe zum Liebling aller und wurde bei den Abiturfeiern regelmäßig umjubelt. So ein Hausmeister wird eben über die Jahre zu einem richtigen Kumpel. Er durchlebt das ganze Schulleben mit einem und baut einen auf, wenn mal eine Klausur danebengeht: «Ach, komm. Das ist doch nicht schlimm. Ich hab auch kein Abitur, und aus mir ist auch etwas geworden.» Die meisten Schüler waren dann noch verzweifelter.
Hausmeister ist eben nicht jedermanns Traumberuf. Aber vielleicht ist wirklich etwas dran an dieser Gott-Sache? Wenn ja, dann war es sicherlich unser Hausmeister, der einst zu einem frustrierten und durch eine Prüfung gefallenen Schüler sagte: «Du brauchst keinen Schulabschluss. Selig sind die, die arm sind im Geiste, denn ihnen ist das Himmelreich.»
Irgendjemand hat das dann aufgeschrieben, vorne «Bibel» draufgedruckt, und seitdem ist es Gottes Wort. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Hausmeisters. Amen.
«In China wärst du tot»
Wer unter dieser Überschrift jetzt einen sozialkritischen Text zu Missständen in der Umsetzung von fundamentalen Menschenrechten in der sogenannten Volksrepublik China erwartet, muss leider enttäuscht werden.
Es geht im Folgenden vielmehr um die Notengebung in Deutschland. Einer unserer Lehrer hat einmal das Referat einer Schülerin mit ebendiesen Worten kommentiert: «Tut mir leid, aber in China wärst du tot.» Wer diese Aussage liest, dem werden sicherlich genauso Fragezeichen auf der Stirn stehen wie uns damals. Bei Fabio leuchteten auf der Stirn sogar große rote Buchstaben auf, die langsam pulsierend das Wort «Error» bildeten.
Besagter Lehrer war damals aber so freundlich, uns seine rätselhafte Aussage noch zu erklären: «In China wärst du tot. Soll heißen, du hast eine 4 . Das ist im Chinesischen eine Unglückszahl, weil deren Klang dem Wort für Tod sehr ähnelt.» Eine sehr charmante Art für einen Lehrer, eine Note mitzuteilen. Ganz nebenbei, falls man mal eine 6 kassiert: Die Zahl 6 steht im Chinesischen für «problemlos» und «erfolgversprechend». Das kann zu Missverständnissen führen, wenn ein in Deutschland zur Schule gehendes chinesisches Kind wegen ungenügenden Leistungen sitzenbleibt oder das Abitur nicht schafft und die ganze Zeit dachte, es würde Bestnoten schreiben.
Als unser Lehrer diesen Chinavergleich bemühte, dachte ich für einen Moment, er würde auf die harten Lernbedingungen chinesischer Schulkinder aufmerksam machen wollen. Aber nein, es war nur wieder ein blöder Scherz. Die Note dahinter leider nicht. Okay, eine 4 ist voll in Ordnung, schließlich ist sie ausreichend, aber was soll man als Schüler mit dieser Bewertung anfangen? Egal, welche Note man erzielt, es ist eine Zahl, die in den Raum geworfen wird, von der man dann ableiten soll, ob man gut oder schlecht war. Es bringt einem Schüler aber doch nichts, wenn er unter einer Klausur den – für
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