Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
dauerhaft an Bundesjugendspielen teilnehmen lassen. Nur dort lernt man, was wahre Erniedrigung heißt, weil die Leistung doch wieder nur für eine Teilnahmeurkunde gereicht hat (die bekommt man quasi schon für bloße Anwesenheit) und die Sieger- oder gar Ehrenurkunde in weiter Ferne bleibt. Da können die diese bescheuerte Teilnahmeurkunde doch eigentlich gleich weglassen. Drauf geschissen! Brauch ich nicht! «Malte Pieper erreichte 374 Punkte (Anmerkung des Autors: Das ist
nicht
viel) und hat damit eine Teilnahmeurkunde erlangt.» Na, herzlichen Glückwunsch! Was für eine Leistung! Diese Urkunde werde ich zukünftig bei jeder Bewerbung mit einreichen. Da kann ich noch so einen schlechten Eindruck im Vorstellungsgespräch gemacht haben, weil ich zwei Stunden zu spät in zerschlissenen Jeans und ohne meine Unterlagen erschienen bin. Wenn ich meine in der Hosentasche versteckte und daher völlig zerknitterte Teilnahmeurkunde heraushole, würde ich sofort jeden Job kriegen. «Oh», würde man sagen, «Herr Pieper, das hätten Sie doch gleich sagen müssen. Sie haben schon mal an etwas teilgenommen. Und es überlebt. Das macht natürlich Eindruck. Mein lieber Mann! 374 Punkte! Respekt! Sie haben den Job.»
Aber man kann den Bundesjugendspielen nicht entkommen.
Auch Frau Svensson hatte kein Mitleid mit mir und sagte: «So, Malte, dann bist du jetzt dran mit Weitsprung!» Dabei kratzte sie sich unterm linken Arm, schnäuzte sich in die bloßen Finger, spuckte auf den Boden und spie Feuer. Okay, Letzteres nur in meiner Phantasie.
Ich sollte also weit springen. Eine Aktivität, die ich genauso wenig beherrschte, wie das Atmen im luftleeren Raum. Wobei man Weitsprung wenigstens im späteren Leben noch brauchen kann. Wie oft steht James Bond auf irgendwelchen Hausdächern, läuft vor ganz bösen Verbrechern weg und muss mehrere Häuserschluchten nacheinander springenderweise überbrücken. Wenn mir das auch mal passiert, kann ich Frau Svensson jedenfalls nicht vorwerfen, sie hätte nicht alles getan, um mich auf diese Situation vorzubereiten.
Damals schien mir das Springen aber nur halb so nützlich. Ich stand am Anfang der Anlaufbahn, an deren Ende ich in die berühmte Sandgrube hüpfen sollte. Gemeinerweise war zwischen dem Absprungbrett und dem Landesandkasten noch etwa ein Meter normaler Boden, da man davon ausging, dass es niemanden gibt, der diese Distanz nicht würde überbrücken können. Mich setzte allerdings bereits dieser Abstand jedes Mal unter einen gewissen Druck. Oft kratzte ich nur knapp am Rand des Sandkastens vorbei, und wenn ich es dann bis in die Grube schaffte, brachte ich es immer fertig, aufgrund der plötzlichen Landung nach vorne zu kippen und mit dem Gesicht im Sand zu landen. Wenn ich dann mit völlig verdrecktem Gesicht aufstand, hörte ich von Frau Svensson nur: «Malte! Wieder scheiße gesprungen! Aber wenigstens nach vorne gekippt!» Das war aus ihrem Mund schon ein sehr großes Lob.
Ich lasse an dieser Stelle die genauere Beschreibung des Fünfzigmetersprints aus, denn es ist mir zu peinlich zu erwähnen, dass ich regelmäßig von meiner Laufbahn abkam und meine Laufnachbarn sauber abgrätschte. Nur so viel: Es gibt Spitzensportler, die laufen hundert Meter in zehn Sekunden. Ich laufe zehn Meter in hundert Sekunden. Man muss ja auch nicht ständig so hetzen. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich es bestimmt besser gekonnt. Mit diesem Gedanken habe ich mich zumindest immer getröstet. Das ist eine sehr gute Motivationstechnik: Wenn man etwas nicht kann, einfach so tun, als hätte man sich ja gar nicht richtig angestrengt. Ein kurzes «Ich hab ja gar nicht richtig gespielt» kann beim Fußball die schlimmsten Fehlpässe rechtfertigen. In der Schule scheitert diese Technik allerdings regelmäßig. Wenn man nach einer Klassenarbeit zum Lehrer sagt: «Ich hab gar nicht richtig geschrieben», antwortet der doch bloß: «Ja. Und deswegen hab ich dir auch die 6 gegeben.» Lehrer sind da eben etwas phantasielos.
Doch zurück zu den Bundesjugendspielen. Was sich mir nie erschlossen hat, ist das Werfen. Man wirft einen kleinen Ball in Richtung einer Wiese und wenn man es richtig macht, dann fliegt das Wurfgerät weit. Entscheidend ist dabei der Abwurfwinkel. Leider hat man 360 Grad zur Auswahl, und mir fiel es da immer schwer, mich zu entscheiden. Nach einigen fehlerhaften Versuchen schloss ich die 180 Grad, die hinter mir lagen, schon mal grundsätzlich aus. Trotzdem landete der Ball häufig
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