Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Flugzeugs schien ihnen überhaupt nichts auszumachen.
Sie waren beide groß, dunkelhaarig und hatten braune Augen, die Haut ein wenig dunkler, wie bei vielen Latinos. Hector trug einen konservativen Anzug mit eng gebundener Krawatte und nicht der kleinsten Knitterfalte. Sandra trug hohe Absätze und ein Seidenkleid, das Caitlyn an die bevorzugten Designer ihrer Mutter erinnerte. Hector blieb hinter dem Stuhl seiner Frau stehen, bis sie sich gesetzt hatte, obwohl es sich nur um einen am Boden festgeschraubten Drehsessel handelte. Bevor er neben ihr Platz nahm, glitt seine Hand über ihren Nacken. Besitzergreifend und kontrollierend.
Caitlyn sah eine feste Einheit vor sich. Ein wahres Traumpaar. Zwischen die beiden passte kein Blatt Papier. Wo blieb da noch Platz für ihre Tochter?
»Vielen Dank, dass Sie so kurzfristig kommen konnten, Special Agent Tierney«, wurde sie von Sandra begrüßt. Ihr Tonfall machte klar, dass es sich nur um eine Floskel handelte, dennoch neigte sie leicht das Kinn, als warte sie auf Dank für ihre freundlichen Worte.
»Supervisory Special Agent.« Caitlyn konnte sich nicht zurückhalten. Sofort schalt sie sich in Gedanken dafür. Das war nicht der geeignete Zeitpunkt, um darüber zu urteilen, wie sich die Eltern eines verschwundenen Kindes verhalten sollten oder nicht. »Und bitte nennen Sie mich Caitlyn.«
»Caitlyn«, sagte Hector in beruhigendem und gleichzeitig geschäftsmäßigem Tonfall, als sei Caitlyn ein sabberndes Kleinkind, »ich bin überzeugt, Sie verstehen, dass wir keine Zeit verlieren dürfen.«
Trost war hier wohl unangebracht. »Wie haben Sie von Marias Verschwinden erfahren?«, fragte Caitlyn und schlug ihren Notizblock auf. Es vermittelte den Leuten ein gutes Gefühl, wenn sie sahen, dass sich jemand handschriftliche Notizen machte, obwohl eine Aufnahme wesentlich einfacher wäre. Caitlyns Notizen dienten ihr später eher als Gedächtnisstütze und nicht als wortgetreue Aufzeichnung des Gesagten. Besonders bei Befragungen wie dieser, wenn ihr Gesprächspartner unmöglich in das Verbrechen verwickelt sein konnte. »Hat der Reiseveranstalter Sie angerufen? Weiß man, wann sie zuletzt an Bord gewesen ist?«
»Von diesen Kreuzfahrtmenschen bekommen wir keine klaren Antworten«, sagte Hector verächtlich. »Sie weigern sich immer noch, überhaupt zu bestätigen, dass Maria nicht an Bord ist. Deswegen brauchen wir Sie.« Sein Tonfall verriet, dass nur aus diesem Grund einem Außenstehenden erlaubt worden war, sich in ihre Privatangelegenheiten einzumischen. »Wenn die sich einsichtig zeigen würden, wäre die ganze Reise unnötig.«
»Wieso vermuten Sie, dass Maria nicht mehr an Bord ist?« Egal welche Beziehungen die Alvarados hatten – wehe ihnen, wenn sie sie völlig umsonst den ganzen Weg hierher hatten kommen lassen.
»Sie ruft mich jeden Abend an. Immer um zehn Uhr«, sagte Sandra. »Gestern Abend hat sie nicht angerufen.«
»Und sie geht nicht an ihr Handy. Außerdem ist es ihr wohl gelungen, den GPS -Tracker vom Mobiltelefon zu entfernen. Wir haben den Reiseveranstalter angerufen, damit sie ausgerufen wird, aber auch darauf hat sie nicht reagiert.«
Caitlyn hielt den Kopf gesenkt, damit die beiden nicht mitbekamen, wie sie die Augen verdrehte. Das klang eher nach überängstlichen Eltern und weniger nach einem Fall fürs FBI . Wussten die beiden denn nicht mehr, wie es war, mit neunzehn ans College zu kommen, wie aufregend diese neu gewonnene Freiheit sich anfühlte? »Sie ist gemeinsam mit ihren Freundinnen auf dieser Kreuzfahrt, richtig? Was sagen die?«
Die Alvarados wechselten einen Blick und rutschten auf ihren Sitzen herum. »Das sind ihre Freundinnen vom College.«
»Ich habe sie immer wieder gebeten, sie mal nach Hause mitzubringen. Wir wollten sie kennenlernen, bevor sie gemeinsam …« Sandras Stimme verlor sich und beide suchten nun doch wieder Augenkontakt mit Caitlyn.
Hector übernahm für sie. »Ihre sogenannten Freunde behaupten, alles sei in bester Ordnung und wir sollten uns keine Sorgen machen. Mehr wollen sie nicht verraten.«
Caitlyn machte konzentriert Notizen und dachte über das Gehörte nach. Ganz offensichtlich waren die beiden den Freundinnen gegenüber voreingenommen, dennoch … selbst Studentinnen müsste doch der Ernst der Lage bewusst sein, wenn jemand auf See von einem Schiff verschwand. »Hat sie vielleicht jemanden kennengelernt? Eine romantische Beziehung?«
Beide Eltern reagierten entrüstet, als handele es sich um
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