Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Und das jagte ihr eine höllische Angst ein. Allerdings nicht, weil sie fürchtete, verletzt zu werden. Sie war bereits auf jede erdenkliche Art und Weise enttäuscht und hintergangen worden und hatte es überlebt.
Caitlyn hatte Angst, weil alle Menschen, denen sie bislang vertraut hatte, am Ende umgekommen waren.
7
Bei ihrer Ankunft in Miami wurde Caitlyn zu ihrer Überraschung von einem Mann in Pilotenuniform empfangen, der ein Schild mit ihrem Namen in die Höhe hielt.
»Special Agent Tierney, ich bin Kapitän Nouri, der Pilot der Alvarados. Haben Sie Gepäck aufgegeben?«
»Nein.« Sie hatte sich angewöhnt, nur mit Handgepäck zu reisen, in dem eine Auswahl Kleidungsstücke verstaut war, die sich von einer Pressekonferenz bis hin zum taktischen Manöver für so gut wie jeden Anlass eigneten. Genau genommen gab es nur zwei Dinge, die sie auf ihren Dienstreisen vermisste: die kugelsichere Weste und Gewehre. Mit ihrer Dienstwaffe und der Ersatz-Glock kam sie problemlos durch die Sicherheitskontrolle, alles andere musste jedoch zu Hause bleiben.
Sie folgte Nouri durch das Terminal. Er bot ihr weder an, den Rollkoffer für sie zu ziehen, noch eine ihrer Taschen zu tragen. »Wohin fliegen wir?«
»Zu Marias Freunden und dem Schiff, auf dem sie sich eigentlich befinden sollte – es legt heute Nachmittag auf Cozumel an. Wir treffen ihre Freundinnen dort.« Er warf ihr über die Schulter hinweg einen Blick zu. »Haben Sie ihren Pass dabei?«
»Selbstverständlich. Allerdings hatte ich gehofft, vorher mit Marias Familie sprechen zu können, um Genaueres zu erfahren …« Im Jet, der mit WLAN ausgestattet gewesen war, hatte sie so viel wie möglich online recherchiert, doch das konnte ein persönliches Gespräch nicht ersetzen.
»Mr und Mrs Alvarado werden mit uns reisen. Sie können sich unterwegs unterhalten.« Er führte sie zu einem gesonderten Ausgang und zeigte einen speziellen Ausweis vor. Kurz darauf fuhren sie bereits in einem Geländewagen über das Rollfeld, an den kommerziellen Fliegern vorbei bis zu einem abgeschirmten Bereich für private Maschinen, mitten in dem ansonsten betriebsamen Flughafen. Im Wagen war wegen des Lärms keinerlei Gespräch möglich, also sah Caitlyn ihre E-Mails durch. Auf dem Flug hierher hatte sie die Alvarados gegoogelt und herausgefunden, dass sie die Inhaber von Bio-Regen waren, eine Firma, die sich auf die Beschaffung von menschlichem Gewebe spezialisiert hatte, das für wissenschaftliche und medizinische Zwecke eingesetzt wurde.
Die Firmenwebsite hatte alles andere als glamourös gewirkt. Offensichtlich an Ärzte und Wissenschaftler gerichtet, war sie mit so viel technischen Informationen überfrachtet gewesen, dass Caitlyn schon nach kurzer Zeit nicht mehr hatte folgen können. Als sie nun aber neben einem schlanken Gulfstream-Businessjet hielten, wurde ihr klar, dass medizinische Forschung wohl doch einträglicher war, als sie angenommen hatte.
Nouri ging die Treppe hoch und ins Cockpit, ohne sich nach ihr umzusehen. Den Boten zu spielen, der eine unbedeutende FBI -Agentin abholt, war offenbar unter seiner Würde. Sie wünschte Carver wäre hier – er hätte vermutlich noch einmal auf Rocker gemacht und den hochnäsigen Piloten damit aus der Fassung gebracht. Die Vorstellung brachte sie zum Lächeln.
Sobald sie das Flugzeug betrat, nahm ihr ein junger Mann in Uniform das Gepäck ab und geleitete sie zu einem Tisch. Er reichte ihr einen glänzenden Ordner mit dem Firmenlogo von BioRegen auf der Vorderseite, dann fragte er sie nach ihrem Getränkewunsch und zeigte ihr Sicherheitsgurt sowie Ruftaste. »Wir werden in Kürze abheben.«
Die Motoren jaulten auf, und der Steward schloss die Kabinentür. Caitlyn blätterte die Akte durch. Fotos von Maria, eine Kopie von ihrem Reisepass und ihrem Führerschein, Kontaktinformationen von ihr selbst und ihren Eltern, der Stundenplan an ihrer Uni, die Route des Kreuzfahrtschiffs. Sehr gründlich. Sie fragte sich, wer das wohl zusammengestellt hatte – die besorgten Eltern oder ein namenloser Angestellter?
Als sie gerade von der Parkposition zum Startpunkt rollten, öffnete sich eine Tür im hinteren Teil der Kabine und ein Mann und eine Frau traten ein. Marias Eltern waren älter als Caitlyn erwartet hatte: Sandra Alvarado etwa Ende fünfzig und Hector Alvarado in den frühen Sechzigern. Beide gingen ruhigen Schrittes auf sie zu und wirkten dabei sportlich durchtrainiert, bestens aufeinander abgestimmt; die Bewegung des
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