Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Carver …
»Laut Bordausweis befindet sie sich an der Bar«, unterbrach Broadman ihre Träumerei. Der Mann war anscheinend aus Stein, denn er schwitzte kein bisschen, obwohl es an die dreißig Grad hatte, und er viel zu dick angezogen war. Besonders verglichen mit den Studentinnen in ihren Bikinis, die kaum größer waren als die Stofffetzen, mit denen Caitlyn ihre Waffen reinigte. Sie musste wieder an Carver denken, der gerade in Virginia festsaß. Das hier würde ihm gefallen.
Drei kichernde Mädchen liefen vorbei und berührten Broadman dabei absichtlich mit ihren eingeölten Körpern. Vielleicht war es doch besser, dass Carver nicht hier war. Ihm hätte das eindeutig viel zu gut gefallen. Besser doch keine Kreuzfahrt, die Vorstellung, auf einem Schiff gefangen zu sein, behagte ihr ohnehin nicht besonders. Vielleicht lieber eine Wildwassertour?
Sie bahnten sich einen Weg durch die Sonnenanbeter und kamen zur Bar. Von Maria keine Spur.
Während des Flugs nach Miami hatte Caitlyn Informationen über den Fall zusammengetragen und war dabei auf einige nützliche Dinge, wie beispielsweise Fotos von Maria und ihren Freundinnen auf deren Facebook-Seiten, gestoßen. Zwei der Mädchen standen an der Bar. Linda Cervino und Tracey Morton.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Broadman merklich kleinlauter. »Sie sollte eigentlich hier sein. Vielleicht ist sie im Pool oder bei den Duschen und hat ihren Ausweis abgenommen.«
Caitlyn bemerkte, dass die beiden Mädchen sie anstarrten. »Warum schauen Sie nicht dort nach? Ich werde hier warten.« Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Im Schatten.«
Für diese Schwäche erntete sie einen verächtlichen Blick von Broadman, ehe er sie an der Bar zurückließ. Linda, die das Gespräch offensichtlich verfolgt hatte, schnappte sich ihre Handtasche und wollte sich vorbeidrängen, doch Caitlyn packte sie am Arm. »Willst du mir nicht verraten, wo Maria wirklich steckt?«
Das Mädchen besaß durchaus schauspielerisches Talent. Sie schüttelte Caitlyn ab und starrte sie wütend an. »Sie sprechen mit der falschen Person. Wer immer Sie sein mögen.«
Ein drittes Mädchen kam dazu. Vicky Smith, wenn Caitlyn sich nicht irrte. »Warum erkundigen Sie sich nach Maria?«, fragte sie besorgt. »Ist etwas geschehen? Wer sind Sie?«
Linda verdrehte die Augen. »Halt die Klappe, Vicky.«
»Das wäre vielleicht nicht die weiseste Entscheidung, Linda.« Das Mädchen zuckte bei der Erwähnung ihres Namens zusammen und warf Caitlyn einen wütenden Blick zu. »Und um deine Frage zu beantworten, Vicky, ich bin FBI -Agentin, mein Name ist Caitlyn Tierney.« Sie zückte ihren Ausweis und hielt ihn den Freundinnen vor die Nase. »Ehe eine von euch etwas sagt, solltet ihr wissen, dass es sich bei einer Lüge gegenüber einem Bundesagenten um ein strafrechtliches Vergehen handelt. Aber als angehende Anwältin weißt du das ja bereits, Tracey, nicht wahr?«
Tracey biss sich auf die Lippe und nickte.
»Ich mach euch einen Vorschlag, Mädels. Warum gehen wir nicht in eure Kabine, wo wir uns in Ruhe unterhalten können, und ihr erzählt mir alles? Linda, du gehst vor.«
Broadman würde garantiert fuchsteufelswild werden, weil sie allein auf dem Schiff unterwegs war, und noch viel wütender darüber, dass er deswegen Marias Eltern am Hals hatte. Na ja, besser, es traf ihn. Den Alvarados würden die Mädchen ohnehin nichts verraten. Aber Caitlyn würde sie zum Reden bringen.
Noch immer hoffte sie auf eine harmlose Erklärung. Dass es sich vielleicht bloß um einen Streich handelte, mit dem sie ein wenig über das Ziel hinausgeschossen waren, oder dass Maria sich in einen Passagier verliebt hatte und mit ihm abgetaucht war. Was Studentinnen in den berüchtigten Springbreak-Ferien eben so anstellten. Angesichts von Vickys besorgter Miene schwante ihr allerdings Böses.
9
Die Mädchen teilten sich eine kleine Fensterkabine mit Stockbett und einem ausklappbaren Sofa. Überall lagen Kleider und Souvenirs herum, als Sitzgelegenheit gab es nur das Sofa, das Vicky hastig zusammenklappte. Die zerknüllte Bettwäsche stopfte sie unter das Kissen.
»Wo ist Maria?«, fragte Caitlyn, als die Mädchen sich hingesetzt hatten. Sie selbst blieb stehen, weil es einschüchternder wirkte. Die Studentinnen hatten anscheinend noch etwas Respekt vor Autoritäten – selbst Linda, die Anführerin der Gruppe.
»Sie hat gerade die beste Zeit ihres Lebens und gräbt irgendwelche uralten Mayaruinen in Guatemala aus«,
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