Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Professor Zigler.«
Michael nickte zerstreut, während er sich seinem Essen widmete. Er aß wie jemand, der schon lange nichts Vernünftiges mehr bekommen hatte. Seine Kleider, ein schlichtes weißes T-Shirt und Jeans, schlackerten um ihn herum, als hätte er in letzter Zeit viel abgenommen. Trotz seiner dunklen Haut wirkte er kränklich blass.
»Darf ich fragen …?« Sie deutete mit einem Nicken auf den Beutel, der mit dem Schlauch aus seiner Brust verbunden war.
» LVAD «, antwortete er mit vollem Mund. Er schluckte. »Linksventrikuläres Unterstützungssystem. Eine an mein Herz angeschlossene Pumpe. Bis vor einigen Wochen war ich ein Todeskandidat, Herzversagen, nachdem ich mir einen Virus eingefangen hatte. Mein Vater hier war schon kurz davor, einen Sarg zu bestellen.«
»Michael«, rief ihn Dr. Carrera zur Ordnung. Das Messer fiel dem Arzt aus der Hand und landete laut klappernd auf dem Boden. Einer der Angestellten beeilte sich, es aufzuheben, und legte dem Doktor sofort ein sauberes nach. »Das ist nicht komisch. Und auch nicht wahr. Ich habe dich nie aufgegeben, das weißt du«, sagte er mit sorgenvoller Stimme und düsterem Blick.
»Ich weiß, Papa.« Michael lächelte seinen Vater ebenso strahlend an wie eben noch Maria. Die Krankheit schien seinem fröhlichen Wesen nichts anhaben zu können. »Es fühlt sich einfach so gut an, endlich aus diesem Bett heraus und wieder in Bewegung zu sein.«
»Also, dein künstliches Herz, bist du damit geheilt?«, fragte Maria und hoffte, die Frage war nicht zu unhöflich. Aber sie hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so knapp dem Tod entgangen war. Und sie war neugierig, wie so ein künstliches Herz funktionierte – wenn ihr Vater kam, würde er ihr es erklären können. Vielleicht lenkte ihn das auch ein wenig von seinem Zorn ab.
»Nein«, sagte Dr. Carrera. »Es ist lediglich ein Notbehelf, bis wir ein Spenderherz finden. Aber es hat uns wertvolle Zeit geschenkt.« Er blickte Maria mit gerunzelter Stirn an. »Solange Michael auf sich aufpasst und sich nicht übernimmt.«
»Und was für ein schöneres Geschenk könnte sich jemand wünschen?« Damit klopfte sich Michael auf die Brust, wie um seine Gesundheit zu demonstrieren. Er wandte sich Maria zu und musterte sie mit einem durchdringenden Blick, bei dem ihr ganz warm wurde. »Ich werde dich malen, bevor du gehst. Porträts waren zwar noch nie meine Stärke, aber du hast etwas Faszinierendes an dir, das ich festhalten möchte … Bitte, würdest du mir die Ehre erweisen?«
Wie könnte sie da Nein sagen? Sie nickte schüchtern und traute sich nicht mehr, ihm in die Augen zu sehen.
Michael klatschte begeistert in die Hände, wie ein kleiner Junge, und entlockte damit sogar Dr. Carrera ein Lächeln. »Sehr schön. Wir fangen gleich nach dem Essen an.«
20
Die Fähre hatte vierzig Minuten Verspätung. Als sie endlich zwischen zwei Frachtschiffen an einem Dock des Güterhafens anlegten, war es schon fast vierzehn Uhr und Caitlyns Magen war darüber nicht besonders glücklich. Während sie den anderen Passagieren auf den Kai folgte, knabberte sie an einem Müsliriegel. Zum Glück war der Inhalt ihrer Tasche trocken geblieben, während sie selbst nach der Überfahrt von Punta Gorda klitschnass geworden war. Der einzige Hinweis auf irgendeine Art Zollabfertigung war ein verlassener Stand in der Nähe der offensichtlich für Kreuzfahrtschiffe reservierten Anleger. Dort standen bunte Buden der verschiedenen Reiseveranstalter, Pfeile und Hinweise waren auf den Zementboden gemalt, die den Besuchern den Weg zu einem Busparkplatz sowie den Veranstaltern von Besichtigungstouren wiesen.
Niemanden außer ihr schien diese fehlende Grenzkontrolle zu interessieren, also schnallte sie sich den Rucksack enger auf den Rücken und ging an einer Gruppe Männer vorbei, die sich gegenseitig anbrüllten, während sie entweder auf Container zeigten oder Unterlagen auf ihren Klemmbrettern überprüften. Ganz hinten, am Rand von zwei Containerreihen, stand ein kleiner Spanier mit lichtem Haar und dem unauffälligen Äußeren eines Mannes, der leicht mit einer Menschenmenge verschmolz.
Caitlyn fiel er jedoch sofort auf. Sein Blick glitt über die Passagiere, die von der Fähre drängten, blieb an ihrem roten Haar hängen. Er nahm noch kurz die restlichen Mitfahrer ins Visier, blickte dann aber gleich wieder zu ihr. War das etwa die Vorstellung der CIA von einer verdeckten Ermittlung? Lernten die nicht mehr in ihrer
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