Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Yates bisweilen ein ziemlicher Paragraphenreiter sein konnte. Sie hatte auch gesagt, dass er ein guter Kerl sei, der früher selbst als Polizist angefangen hatte und wusste, was die Arbeit als Ermittler bedeutete. Im Gegensatz zu vielen der Anzugträger, die das Justizministerium bevölkerten.
Jake bemerkte ein amüsiertes Funkeln in Yates’ Augen, also überging er dessen Bemerkung, ohne sich für seine saloppe Kleidung zu entschuldigen, und kam stattdessen gleich zur Sache. »Weiß Caitlyn über Alvarados Vergangenheit Bescheid? Warum er aus Guatemala geflohen ist?«
»Ich habe ihr alles schicken lassen, was wir über ihn hatten. Das meiste‹ war eine ›bearbeitete Fassung‹ von der Regierung und unseren lieben Verwandten in Langley. Doch sie kann gut zwischen den Zeilen lesen – und Internetsuchmaschinen benutzen wie jeder andere auch. Weshalb? Haben Sie etwas herausgefunden?«
Jake setzte sich unaufgefordert in den für Besucher vorgesehenen Stuhl und beugte sich vor. »Vielleicht. Ich habe da so eine Ahnung, wieso es jemand auf Alvarado abgesehen
hat.«
Yates kommentierte das, indem er weiter auf seinem Sandwich herumkaute und das Tippen wiederaufnahm, während er darauf wartete, dass Jake fortfuhr. Aber das hier war viel zu wichtig. Jake musste seine volle Aufmerksamkeit haben.
Endlich hob Yates den Blick von der Tastatur. »Eine Ahnung? Keinen Beweis?«
»Keinen Beweis.«
Yates sah ihn skeptisch an, lehnte sich aber trotzdem im Stuhl zurück und musterte Jake mit schräg gelegtem Kopf. Die unausgesprochene Botschaft war klar: Wenn ein Untergebener wie Jake es wagte, aufgrund einer bloßen Ahnung in seine Mittagspause hineinzuplatzen, war es besser wichtig. »Also gut. Lassen Sie hören.«
»Wissen Sie, dass Alvarado und seine Einheit ein Geheimgefängnis mit Codenamen U4 beaufsichtigt haben?«
»Eine Behauptung der Medien. Die Regierung hat das immer bestritten, es gibt keine Zeugen und auch keine Beweise dafür.«
»Nicht nur die Medien haben diese Behauptung aufgestellt, auch die katholische Kirche und die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Und selbstverständlich streitet die Regierung das ab. Wenn auch nur die Hälfte der Anschuldigungen war sind, dann ist Gitmo im Vergleich dazu ein Zuckerschlecken.
»Das ist alles lange her. Was hat das mit einer vermissten Studentin zu tun?«
»Ich gehe davon aus, dass Alvarado und sein damaliger Stellvertreter – ein gewisser Dr. Carrera – das Gefängnis übernehmen durften, weil sie im Gegenzug dafür den Saustall aufgeräumt haben. Inklusive aller Insassen und jedem, den sie dort hineinschafften oder den die Regierung verschwinden lassen wollte.«
»Sie meinen, U4 existiert immer noch? Ohne dass ein Wort davon durchdringt? Nach zwanzig Jahren?«
»Nur ist es nicht mehr das Gefängnis U4. Heute nennt sich der Komplex Clínica Invierno. Ich glaube, Alvarado ist nur deswegen nach Amerika gekommen und hat hier seine Biotech-Firma gegründet, damit er Gewinn aus der einzigen Sache schlagen kann, von der es in U4 reichlich gibt – zu viel, um genau zu sein.«
Yates zog die Stirn kraus. »Und was soll das sein?«
»Körperteile.«
Yates schnellte aus seinem Sessel empor. »Jetzt machen Sie mal halblang. Wollen Sie etwa sagen, die amerikanische Regierung habe Alvarado die Einreise gewährt, damit er hier die Beweismittel seiner Bürgerkriegsverbrechen entsorgen kann? Und dabei auch noch ein Vermögen macht?«
»Denken Sie doch mal nach! BioRegen war eine der ersten Firmen am Markt und hatte niemals irgendwelche Lieferschwierigkeiten, egal wie viel Material von den Wissenschaftlern oder Krankenhäusern angefordert wurde. Zumindest bis vor Kurzem. Die meisten der von ihnen verwendeten Transplantate können bei fachgerechter Lagerung jahrelang verwendet werden. Alvarado und sein Stellvertreter, dieser Dr. Otto Mendez Carrera, saßen auf einem Vermögen. Jetzt mussten sie nur noch ein paar Schnippeleien durchführen und dem allen hier in Amerika einen rechtmäßigen Anstrich verleihen.«
»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst.« Yates dachte angestrengt nach. »Immerhin würde es erklären, warum die UNO bei der Untersuchung der Kaibiles kaum Spuren fand. Also vermuten Sie, dass U 4 noch immer in Betrieb ist?«
»Ich vermute, dass dem allen ein offizieller Deckmantel übergestülpt wurde. Die haben das Gefängnis in eine psychiatrische Klinik umgewandelt, die von Alvarados ehemaligem militärischem Stellvertreter, Arzt und Offizier Dr.
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