Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
jedoch nicht so sauber.
Die Leiche auf dem Operationstisch war blutüberströmt, genau wie der Boden und der Mann, der vor ihr stand, und ein menschliches Herz in der Hand hielt.
Maria hätte das Geräusch, das sie von sich gab, nicht beschreiben können, es wurde von dem gewaltigen Dröhnen in ihrem Kopf übertönt. Sie wollte wegrennen, keuchte auch so heftig, als würde sie bereits rennen, aber ihre Füße wollten sich einfach nicht bewegen.
Der Mann war kaum größer als sie selbst, auch nicht viel älter, in den Dreißigern vielleicht, ein Asiate mit schlankem muskulösem Körper und zotteligem Haar, das dringend geschnitten werden müsste. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund störte sie seine herausgewachsene Frisur. Sie konnte den Blick einfach nicht von seinem Haar lösen. Wie es beinahe auf den Kragen des blauen OP -Hemds fiel. Keine Haube.
Einen Mundschutz trug er natürlich auch nicht. Auch keinen Chirurgenkittel. Aber die Hände steckten in leuchtend violetten OP -Handschuhen, deren Farbe sich auf entsetzliche Weise vor dem tiefrot glänzenden Blut abhob, das von dem Herz tropfte.
Und der Leichnam sah aus wie einem Albtraum entsprungen: ein Frauenkörper ohne Beine, der Bauch aufgeschlitzt, das Muskelfleisch offengelegt. Mitten in der Brust klaffte ein Loch, das von einer Edelstahlklammer aufgehalten wurde. Wenigstens war ihr Gesicht abgedeckt.
Maria nahm das alles auf, ehe sie erkannte, dass sich der Mund des Mannes bewegte.
»Helfen Sie mir«, wiederholten die Lippen, mit einer Stimme, die sich anhörte, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Bitte, helfen Sie mir.«
Der Mann ließ das Herz auf die Leiche fallen und stürzte nach vorne auf Maria zu. Sie wich zurück, knallte gegen die geschlossene Tür hinter sich und tastete, ohne den Blick abzuwenden, nach der Klinke.
»Nein, gehen Sie nicht. Bitte, Sie müssen mir helfen«, flehte er. Er machte noch einen Schritt auf sie zu, dabei hörte sie ein Rasseln.
Jetzt erst fiel ihr die Kette auf, mit der er an eine große Röhre gefesselt war, die die Wand hinauflief.
Er hob beide Hände, wie um sich zu ergeben. »Mein Name ist Cho. Dr. Kevin Cho. Ich bin Stipendiat der McGill-Universität in Toronto, spezialisiert auf Herz-, Gefäß- und Thoraxchirurgie.«
Er sprach gehetzt, als müsste er ihr das alles rasch erklären, ehe es zu spät und die Gelegenheit dahin war. »Ich war hier, um ehrenamtlich an einem medizinischen Einsatz teilzunehmen, der von Dr. Carrera organisiert wurde, aber auf meiner Heimreise haben sie mich entführt. Das war vor einem Monat.«
Er deutete auf die Kette. »Ich habe alles versucht, sogar Rippen- und Knochensägen. Gibt es draußen irgendwelches Werkzeug? Falls nicht, könnten Sie Hilfe holen? Irgendjemandem hiervon berichten, irgendjemandem sagen, dass ich hier bin? Bitte, er wird mich umbringen.«
Hector stand unbeweglich da, aber Caitlyn konnte ihm ansehen, dass er Itzels Erzählung gelauscht hatte. »Aus welchem Grund würde der Doktor Maria entführen wollen, Hector? Was will er von ihr – oder von Ihnen?«
Er wirbelte herum, als hätte er einen Entschluss gefasst. »Hierherzukommen war reine Zeitverschwendung. Ein Ablenkungsmanöver. Er wusste, wenn ich denke, dass die Lösegeldforderung von ihr stammt …«, er deutete mit den Augen auf Itzel, »… dann würde ich mich auf den Weg zu ihr machen. Wahrscheinlich hat er gehofft, dass sie mich tötet oder wir uns gegenseitig umbringen.«
»Wovon will Dr. Carrera Sie ablenken, Hector?«, drängte Caitlyn. »Wieso hat er Maria entführt?«
Er schüttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf, als würde er in die Ferne schauen – oder in die Vergangenheit. »Seit einigen Monaten lässt er kaum noch vernünftig mit sich reden, ist unberechenbar geworden. Seit Michael krank wurde – vielleicht sogar schon davor …«
»Sie sind mit ihm in Kontakt geblieben?«
»Er ist mein Geschäftspartner. Bei BioRegen. Ich habe ihn seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, aber wir telefonieren. In letzter Zeit schien er geradezu besessen von der Vergangenheit – unserer gemeinsamen Vergangenheit. Sprach ständig von Buße und Sühne. Als ob er sich die Schuld daran gibt, dass Michael krank ist, und sich reinwaschen will, indem er seinen Sohn rettet.«
»Meinen Sohn«, sagte Itzel, stand auf und stellte sich Hector gegenüber. Er würdigte sie keines Blickes.
»Und wie genau will er das tun, sich von seinen Kriegsverbrechen reinwaschen?«, fragte Caitlyn,
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