Wenn der Wetterhahn kräht
ein Lügner als ein elender Feigling, dachte Peter — obwohl es im Grunde
keine Lüge war, denn Svenson würde sicher vor Wut platzen.
»Na ja, aber wenn er hier wäre, würden
wir die Bürgerwehr und das SEK gar nicht brauchen«, erwiderte Cronkite
wahrheitsgemäß. »Aber dann hätte der Angriff bestimmt auch nicht so einen
dramatischen Effekt. Ich hoffe nämlich, daß ich ein paar tolle Fotos schießen
kann.«
»Und ich hoffe, daß Sie nicht selbst in
die Schußlinie geraten«, gab Peter zurück. »Und ich natürlich auch nicht.«
»Oh, ich glaube, die haben spezielle
kugelsichere Westen und so was für uns.« Cronkite klang inzwischen eine Spur
weniger begeistert. »Aber ich weiß, was Sie meinen. Es war nicht besonders
lustig draußen im Sumpf, nicht? Meine Güte, ich hoffe bloß, daß Miss Binks
abgetaucht ist und sich in Sicherheit gebracht hat. Ich konnte natürlich Olson
nichts davon sagen. Aber ich bin letzte Nacht hingeschlichen und habe ihr eine
Nachricht unter das Fahrrad geschoben. Ich nehme zwar nicht an, daß sie
besonders häufig dorthin geht, aber mir ist nichts anderes eingefallen. Ich
wußte genau, daß ich nie im Leben eines ihrer Kaninchenlöcher finden würde,
dazu sind sie viel zu gut getarnt. Außerdem wäre ich mir indiskret vorgekommen,
wenn ich es auch nur versucht hätte.«
»Außerdem wären Sie ein verdammter
Dummkopf, wenn Sie mitten in der Nacht allein im Wald herumstromern würden«,
knurrte Peter. »Ich will nicht vom Thema ablenken, aber hat Sam Snell
inzwischen verraten, ob er vorhat, die Seifenfabrik wiederaufzubauen?«
»Tja, er hat beschlossen, sich auf
seine Jacht zurückzuziehen und in Ruhe darüber nachzudenken. Ich habe gestern
morgen versucht, ihn zu einem Interview zu bewegen, aber er war tierisch in
Eile und hatte keine Lust, mit mir zu reden.«
»Seine Jacht? Wo in Dreiteufelsnamen
hat Snell denn eine Jacht liegen?« Balaclava County verfügte über äußerst
wenige befahrbare Wasserstraßen.
»Oh, er ist Mitglied in einem Jachtclub
irgendwo in der Nähe von New Haven, wo er mit der Hautevolee von Connecticut
und New York auf du und du sein kann. Er hat rumgejammert, er müsse unbedingt
ein paar Freunde dort treffen, dabei fährt man mit dem Wagen bestimmt über zwei
Stunden bis dorthin, schätze ich. Ich bin selbst noch nie hingefahren. Er
natürlich auch nicht. Sein Chauffeur fährt ihn.« Cronkite legte genügend Gift
in das Wort »Chauffeur«, um eine ganze Armee von Schlangen zu ersetzen.
»Hmja«, meinte Peter nachdenklich. »Und
wie ist es Ihrer Familie inzwischen ergangen?«
»Allmählich müßte es ihnen wieder etwas
besser gehen.« Cronkite griff unter sein Sweatshirt und zog eine Ausgabe des Sprengel-Anzeygers hervor, die noch nach frischer Druckerschwärze roch. »Wie Sie wissen, sind wir
ein Nachmittagsblatt. Wir haben gerade angefangen, die Leute mit der Story zu
füttern, die Sie uns mitgeteilt haben. Wie finden Sie die Schlagzeile?«
Peter warf einen Blick auf die Zeitung.
»›Mutmaßliche Brandstifter in Maine gefaßt. Wertvolle Wetterfahnen von
Praxiteles Lumpkin im Wrack eines Piratenschiffs gefunden‹. Grundgütiger, was
steht denn sonst noch darin?«
»›Angaben eines zuverlässigen
Informanten zufolge‹ — das sind Sie, Professor — , ›ist ein Mann, der in Maine
wegen versuchten Mordes festgenommen wurde, auch der Brandstifter, der die
Seifenfabrik in Lumpkinton angezündet hat, um den Diebstahl der Wetterfahne von
Praxiteles Lumpkin, die seit mehr als hundertfünfzig Jahren das Wahrzeichen von
Lumpkinton war, zu vertuschen. Bei dem Versuch, die Wetterfahnen in einem
gestohlenen Boot an einen noch unbekannten Ort zu bringen, wurde er zusammen
mit vier Komplizen von der U.S. Küstenwache, die mit der Polizei von Hocasquam
zusammenarbeitete, aufgegriffen. Die fünf Männer befinden sich momentan in
Polizeigewahrsam und erwarten die Anklage. Der berühmte alte Mann im Badezuber
und zwei weitere von Lumpkins Meisterwerken, die auf weit mehr als 100 000
Dollar pro Stück geschätzt werden, wurden als Beweismaterial sichergestellt.
Weitere Einzelheiten werden sobald wie möglich mitgeteilt.‹«
Cronkite warf die Zeitung auf den
Rücksitz. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie angerufen und uns die
Neuigkeit mitgeteilt haben. Es wäre zwar nett gewesen, wenn wir noch ein paar
Einzelheiten mehr gehabt hätten, aber wenigstens ist Brink jetzt aus dem
Schneider. Meinen Sie wirklich, die haben den Richtigen geschnappt?«
»Da bin
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