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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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zärtlichen Kuss zu lindern. Als die beiden kurz darauf Arm in Arm aus dem Zimmer schlenderten, musterte Julian das Gesicht seines Bruders, wusste, er war verantwortlich für die neuen Sorgenfalten, die er dort entdeckte. Adrian war von früh an schon willens gewesen, jede Bürde zu tragen, die eigentlich Julian hätte schultern müssen.
    Während Wilbury seine gewohnte Runde durch das Haus machte, die letzten Lampen löschte, übte Julian sich weiter in Geduld. Es war leicht, geduldig zu sein, wenn man eine Ewigkeit zur Verfügung hatte.
    So oder so ähnlich dachte er, bis er zur Vorderseite des Hauses schlich und Portia am Fenster ihres Schlafzimmers sitzen sah. Sie schaute empor in den nächtlichen Sternenhimmel, ihr Kinn in die Hand gestützt und so sehnsüchtig wie ein kleines Kind aussehend, dem man weisgemacht hatte, dass der Mann im Mond umgezogen sei. Julian wusste, er sollte stumm von ihr Abschied nehmen und mit den Schatten verschmelzen, in die er gehörte.
    Er würde London verlassen. Die Morde würden aufhören. Und wenn sie den Rest ihres Lebens lang von ihm das Schlimmste glaubte, wäre das dann nicht das Beste für sie? Er wandte sich zum Gehen.
    Komm nach Hause, Julian. Ehe es zu spät ist.
    Julian erstarrte mitten in der Bewegung. Sein unnatürlich geschärftes Gehör vernahm ihre geflüsterten Worte. Sein Blick flog zurück zu dem Fenster, doch jetzt war es leer.
    »Bitte mach, dass die kleine Närrin es sicher verriegelt hat«, murmelte er tonlos vor sich hin. Aber selbst von unten auf der Straße konnte er sehen, dass das Fenster einen Spalt breit offen war.
    Er stand eine ganze Weile auf der Straße, aber er bezweifelte ernsthaft, dass selbst sein tugendhafter Bruder einer derart verlockenden Einladung hätte widerstehen können. In der einen Sekunde befanden sich seine Füße noch fest auf dem schneebedeckten Boden, im nächsten Augenblick schlüpfte er wie ein Dieb auf der Suche nach einem kostbaren Schatz durch ihr Fenster.
    Lautlos glitt er zum Bett. Das Himmelbett hatte durchsichtige Vorhänge, wodurch es an das Zelt eines Sultans erinnerte. Als er den schimmernden Stoff zur Seite schob, fiel es ihm nicht schwer, sich vorzustellen, dass die schlummernde Frau dahinter über Harem und Herz eines Mannes herrschte.
    Sie hatte sich sichtlich Mühe gegeben, ihre widerspenstigen Locken in zwei ordentlichen Zöpfen zu bändigen, aber mehrere seidige Strähnen hatten sich befreit und umrahmten in feinen dunklen Löckchen ihr Gesicht. Sie schlief auf dem Rücken, eine Hand unter die vom Schlaf gerötete Wange geschoben. Ein reuiges Lächeln spielte um Julians Lippen, als er sah, dass sie in der anderen Hand einen Holzpflock hielt.
    »So ist's richtig, meine Süße«, flüsterte er, als ein leiser Schnarcher ihren geteilten Lippen entfloh. Trotz ihrer Vorliebe für Launiges hatte Portia von Jugend an eine ausgeprägt praktische Veranlagung besessen.
    Julian wusste, sollte er sich entscheiden, seine Annäherungsversuche nachdrücklicher zu verfolgen, wäre der Pflock eine lächerliche Waffe. Er konnte nur dafür dankbar sein, dass sie bisher noch nicht bemerkt hatte, dass sie über andere Waffen verfügte, die seinem Herzen viel gefährlicher werden konnten.
    Es dauerte nicht lange, bis sein überentwickelter Geruchssinn ihm zum Verhängnis wurde. Seine Nasenflügel blähten sich, als er sich weiter vorbeugte, sich den verbotenen Luxus gönnte, sich an ihrem Duft zu berauschen. Wäre die Spielhölle nicht so verraucht und die Luft von den vielen ungewaschenen Menschen nicht so stickig gewesen, hätte er sie bestimmt rechtzeitig gerochen und über den Hinterausgang fliehen können. Sie duftete noch genauso wie er sich erinnerte — sauber und süß wie frisch gewaschene Laken, die im Sonnenschein bei einer leichten Brise trockneten. Unter diesem unschuldigen Geruch nach Rosmarin und Seife lag ihr unwiderstehlicher Moschusduft, dieses schwer zu beschreibende Parfüm, das Männer seit Urzeiten wahnsinnig vor Verlangen machte.
    Er schluckte, bezwang sein Begehren und rang den Drang nieder, sein Gesicht an ihrem Hals zu bergen. Er war gefährlich hungrig, und ihr verführerischer Duft weckte in ihm den überwältigenden Wunsch, sie in mehr als einer Weise zu kosten.
    Es war in der Vergangenheit leicht für ihn gewesen, Abstand zu ihr zu bewahren, solange er sich einredete, sie wäre nichts als ein junges Mädchen in den Fängen ihrer ersten Schwärmerei. Er hatte Ozeane und Kontinente zwischen sich und sie

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