Wenn der Wind dich ruft
gelegt — und zahllose andere Frauen, sich damit begnügt, sich mit der Erinnerung an sie zu quälen.
Bin ich der Grund, weshalb sie nie geheiratet hat?, fragte er sich jetzt. Er hatte gewiss genug einsame Stunden zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen damit vergeudet, sie sich in den Armen eines anderen vorzustellen, im Bett eines anderen Mannes. Dennoch war sie jetzt hier, trug immer noch die Narben seines Kusses auf ihrem Hals wie ein Brandmal. Die Ironie entzog sich ihm nicht. Sie trug sein Mal, aber trotzdem konnte sie nie die Seine sein.
Warum eigentlich nicht?
Julian versteifte sich. Diese ölige Stimme und ihre unselig verlockenden Vorschläge waren ihm längst nicht mehr fremd. Er war noch nicht einmal überrascht, dass sie fast genauso schmierig klang wie Victor Duvaliers. Schließlich war es ja auch Duvalier gewesen, der ihn in einen Vampir verwandelt hatte. Duvalier, der ihn verspottete, schwor, er würde nie einen Augenblick Frieden und Freude finden, wenn er es nicht endlich aufgab, ein Mensch sein zu wollen, und sich stattdessen zu dem bekannte, was er war: eine Bestie. Duvalier hatte ihm Portia in der Gruft entgegengeschleudert, ihn in Versuchung geführt, sowohl seinen Hunger als auch seine Einsamkeit zu stillen, indem er ihr ihre Seele stahl und sie zu seiner ewigen Braut machte.
Seit diesem Moment hatte die Vorstellung nichts von ihrer verführerischen Kraft eingebüßt. Wenn überhaupt war die Versuchung nur gewachsen, genährt von endlosen Nächten, in denen er nur so viel Blut getrunken hatte, um am Leben zu bleiben, aber nie genug, um satt zu werden, und davon gespeist zu berühren, aber nichts zu spüren.
Er konnte nicht länger widerstehen und streckte eine Hand aus, fuhr mit den Fingerspitzen über die blassen Narben an ihrem Hals. Eine steile Falte bildete sich im Schlaf zwischen ihren Brauen. Ihre Lippen teilten sich zu einem leisen Stöhnen, das sowohl Lust als auch Schmerz bedeuten konnte.
Eine heftige Hitzewelle strömte in seine Lenden, und er spürte, wie seine Zähne länger und spitzer wurden. Portia drehte sich um, wandte ihm das Gesicht zu und murmelte nur schläfrig, während er ihr sanft den Pflock aus den Fingern nahm.
Ergib dich.
Das verführerische Wispern wand sich wie Seide durch Portias Träume, verlockte sie, ihre Gegenwehr aufzugeben, alle ihre Waffen zu strecken und die wirbelnde Dunkelheit mit ausgebreiteten Armen zu empfangen.
Sie war nicht länger allein in der Dunkelheit. Er war da. Es war seine Stimme, die sie hörte, die sie drängte, alle ihre geheimen Sehnsüchte zu bekennen. Sie konnte spüren, wie sie sich in der hypnotischen Macht seines Flüsterns verlor, wie ihre Glieder mit jedem raschen Atemzug schwerer wurden, jedem langsamen Schlag ihres Herzens. Er musste sie haben. Ohne sie würde er sterben. Nicht länger fähig, seinem Flehen oder seinem Befehl zu widerstehen, zog sie ihr Haar mit zitternder Hand zurück und bot ihm ihren Hals.
Portia erwachte jäh. Der Traum war so real gewesen, sie rechnete halb damit, Julian über sich gebeugt zu sehen, seine spitzen, langen Zähne entblößt. Aber das Einzige, das sich über ihr befand, war der Betthimmel. Sie berührte mit den Fingerspitzen die Narben an ihrem Hals, und ein zitterndes Seufzen entrang sich ihrer Lunge. Wie abartig war sie eigentlich? Der Traum hätte ihr Angst einjagen müssen, sie zu Tode erschrecken, und nicht dazu führen, dass ihre Brüste schwer wurden und ihr Körper vor Sehnsucht schmerzte.
Sie legte ihre andere Hand auf ihr heftig pochendes Herz und merkte, dass sie leer war. Der Pflock musste ihren im Schlaf schlaffen Fingern entglitten sein, oder sie hatte ihn losgelassen, als sie sich im Bett hin und her warf. Sie wusste nicht, ob sie sich je dazu überwinden könnte, ihn gegen Julian zu verwenden, aber das vertraute Gefühl des Schaftes in ihrer Hand hatte etwas Tröstendes.
Sie rollte sich auf die Seite, um in den Laken danach zu suchen. Da entdeckte sie ihn: Er war sorgfältig auf dem Kissen neben ihr platziert, und das weinrote Samtband, das sie auf Julians Gewinne in der Spielhölle geworfen hatte, war in einer ordentlichen Schleife darum gebunden.
Unsicher, ob sie immer noch träumte, richtete sie sich langsam auf und fuhr mit bebenden Finger über das Samtband. Dann schaute sie zum Fenster.
Sie packte den Pflock, schleuderte die Decken zur Seite und rannte zum Fenster. Es war zu, aber nicht verriegelt, als hätte jemand es von außen zugezogen. Was schlicht
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