Wenn der Wind dich ruft
schwer fallen, den Seemann in eine der schmalen Seitengassen zu locken für einen raschen Geschlechtsakt oder Poppen an der Wand, wie es in weniger vornehmen Kreisen genannt wurde.
Er spürte, wie ein Teil der Anspannung aus seinen Muskeln wich, als sie vorne vor dem Lagerhaus ankam und er erkennen konnte, dass sie vollbusig und zierlich war, nicht hoch gewachsen und schlank. Aber seine Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn sie wurde verdrängt von einem beunruhigenden Gefühl. Das kecke Wiegen ihrer Hüften, die glänzenden schwarzen Locken und das herausfordernd gereckte Kinn hatten etwas besorgniserregend Vertrautes.
»Was zur Hölle ...«, hauchte er.
Er blinzelte mehrmals rasch hintereinander, hoffte, Hunger und Müdigkeit wären der Grund dafür, dass Portia Cabot geradewegs aus seinen Träumen auf dem nassen Kopfsteinpflaster von Charing Cross geisterte.
Trotz des Schmutzes ihrer Umgebung verhielt sie sich so unbekümmert wie auf einem Spaziergang durch Hydepark an einem sonnigen Sonntagnachmittag. Der Umhang war ihr von einer cremigen Schulter geglitten, sodass sie noch verwundbarer aussah. Als Julian mit seinem geschärften Sehvermögen das burgunderrote Samtband um ihren Hals entdeckte, wurde ihm der Mund vor Verlangen trocken.
»Kein besonders förderlicher Pfad, den die junge Frau da eingeschlagen hat«, flüsterte Cubby. »Sollten wir einschreiten?«
Julian wollte nichts mehr, als genau das zu tun. Er wollte zu ihr herunterspringen und sie schütteln, bis sie Vernunft annahm, etwas, was sein Bruder ihr offensichtlich nicht hatte beibringen können. Aber ein primitiver Überlebensinstinkt ließ ihn innehalten. Sie hatte sich Adrian widersetzt und ihr Leben sowie ihren Ruf riskiert, um ihn in der Spielhölle aufzusuchen. Was, wenn er den Bösewicht zu gut gespielt hatte? Was, wenn ihre Loyalität sich verlagert hatte? Er konnte sich keinen süßeren Köder denken, den sein Bruder benutzen könnte, um ihn aus seinem Versteck zu locken.
Cuthbert deutete zu der Straßenlaterne an der Ecke. »Ach, doch kein Grund zur Sorge. Sie will sich mit jemandem treffen.«
Eine Gestalt, die einem Wunder gleich aus dem Nichts erschienen war. Ein Jemand, dessen gertenschlanke Anmut es aussehen ließ, als schwebte er, selbst, wenn er sich gar nicht bewegte. Jemand, der gerade in diesem Moment die Kapuze zurückschob und dabei die alabasterweiße Haut eines Engels und eine silberblonde Lockenmähne enthüllte.
Julian hatte das Gefühl, als verwandelte sich die Energie aus den Rumpsteaks, die er zu sich genommen hatte, in seinen Adern in Eiswasser. »Gütiger Gott«, flüsterte er, sprach einen Namen aus, den um Beistand anzurufen er nicht länger das Recht hatte.
Er rappelte sich auf.
»Wohin willst du?«, verlangte Cuthbert zu wissen, dessen Backenbart beunruhigt zitterte. »Du willst mich hier doch nicht allein lassen, oder?«
Julian fasste seinen Freund an den Schultern und zog ihn mühelos auf die Füße. »Ich brauche deine Hilfe, Cubby. Ich hätte dich nicht gebeten, mich heute Nacht zu begleiten, wenn ich das hier allein hätte erledigen können. Aber ich hatte Angst, dass wir in eine Art Falle laufen. Du musst tun, was du so gut kannst: mir den Rücken frei halten.«
Er zog Cuthbert mit sich zum Rand des Speichers und deutete auf ein paar Sandsäcke, die an einem nahen Balken baumelten. Sie hingen direkt über den brüchigen Holztoren am Eingang zum Lagerhaus. Früher am Tag hatte Julian die Seile, an denen sie befestigt waren, um einen Haken in der Nähe gewickelt. »Wenn irgendjemand außer mir durch diese Türen zu gehen versucht, will ich, dass du die Seile losbindest und die Sandsäcke auf ihn fallen lässt. Hast du das verstanden?«
Cuthbert nickte stumm, denn seine Kehle war vor Schreck zu eng, um zu sprechen.
»Gut, alter Junge.« Julian schlug ihm auf die Schulter und schenkte ihm ein kurzes, grimmiges Lächeln.
Dann war er fort, bewegte sich so schnell, dass Cuthbert hätte schwören können, seine Füße hatten die Sprossen der Leiter gar nicht berührt, die sie vorhin emporgestiegen waren, um auf den Speicherboden zu gelangen. Ehe Cuthbert länger darüber nachdenken konnte, was genau er da gerade gesehen hatte, ertönte von der Straße unten ein schwacher Schrei, der rasch erstickt wurde. Er wandte sich zum Fenster um, blieb aber stehen, als er plötzlich Männerrufe und das Poltern rennender Schritte hörte.
Sich an die Aufgabe erinnernd, mit der Julian ihn betraut hatte,
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